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0930 - Das Stigma

0930 - Das Stigma

Titel: 0930 - Das Stigma
Autoren: Jason Dark
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Geister, als wollten sie mit der übrigen Welt nichts zu tun haben.
    Die Berge sahen in der Dunkelheit aus wie ein Meer mit hohen Wellen, die irgendwann einmal mitten in der Bewegung erstarrt waren. Mal kantig, mal flacher, und weit in der Ferne, wo auch normalen Straßen die Landschaft zerschnitten, sah ich in der klaren Luft hin und wieder ein Licht. Zumeist bewegte es sich. Ein Beweis dafür, daß dort Autos herfuhren. Dies wiederum bewies mir, daß ich mich nicht in der Vergangenheit befand, in der es noch keine Autos gegeben hatte, obwohl man in dieser Umgebung schon den Eindruck haben konnte. Es war wohl die einsamste Gegend Italiens.
    Noch immer stand ich am Fenster und war zu keinem Entschluß gelangt.
    Mittlerweile waren mehr als zehn Minuten vergangen. Ich entschloß mich zu einem letzten Rundblick und beugte mich dabei auch etwas weiter nach vorn, um tiefer in den Ort hineinschauen zu können.
    Zu sehen war nichts anderes als zuvor auch - oder?
    Ich stutzte plötzlich. Meine Augen weiteten sich automatisch, denn ich wollte mehr sehen. Der Ort glich einem finsteren Labyrinth, das sich aus Gängen, Höhlen und Mauern zusammensetzte und zudem noch zahlreiche Verstecke bot.
    Da hatte sich etwas bewegt!
    Ich war plötzlich sehr sicher. Schräg unter mir, wo die Straße in Serpentinen zu den Häusern führte.
    Auf ihr bewegte sich etwas.
    Ich holte tief Luft und beugte mich noch weiter vor. Ich wünschte mir einen starken Scheinwerfer herbei, um in diese Gassen und Straßen hineinleuchten zu können, denn meine kleine Lampe brachte nicht genügend Licht.
    Aber auch ohne Scheinwerfer waren die Bewegungen zu erkennen.
    Was war dort unten?
    Ein riesiger, dunkler Wurm, der sich leise durch die Finsternis bewegte.
    Ein Schaben oder ein leises Trappeln war jedoch zu hören. Schritte, die sich über das unebene Gestein bewegten? Verursacht von Menschen, die sich zu einer Art Prozession vereinigt hatten?
    Ich wartete weiter.
    Und meine Spannung wuchs, denn die Geräusche verstärkten sich noch.
    Sie kamen näher, genau auf mich zu!
    Ich empfand schon so etwas wie eine Beklemmung, und ein kaltes Rieseln durchfuhr mich, als ich weiterhin stehenblieb, lauschte und in die Tiefe starrte.
    Die Dunkelheit bewegte sich. Was sich dort tat, war ebenfalls dunkel und hob sich kaum von der Schwärze zwischen den Mauern der Gasse ab.
    Obwohl es wirkte, als wäre ein großer Wurm oder ein anderes Tier dabei, sich durch die engen Kehren zu bewegen, waren es doch Menschen, die den Weg eingeschritten hatten.
    Ihr Ziel mußte einfach das Oberdorf sein, wo ich noch immer nach unten schaute.
    Die Prozession näherte sich. Jetzt war mir klar, welche Geräusche mich geweckt hatten.
    Mal ein scharfes Atmen, ein leises Hüsteln, jemand räusperte sich auch, und etwas fiel mir dabei auf. Ich hörte keine Männerstimmen. Das Hüsteln und Räuspern stammte hauptsächlich von Frauen, die sich zusammengefunden und auf den Weg gemacht hatten.
    Zu mir?
    Unter anderem, aber ich war nicht das einzige Ziel. Da gab es noch eine Frau namens Marcia Morana, die ein Zimmer unter mir schlief. Sie hatte sich bisher nicht gerührt. Ihr Schlaf mußte tief und fest sein.
    Erinnerungen an unsere erste Begegnung kamen mir in den Sinn, doch ich schaffte es, sie zurückzudrängen. Ich mußte jetzt einen kühlen Kopf bewahren und wollte auch nicht zu Marcia gehen. Wenn der Besuch ihr galt, konnte ich zunächst im Hintergrund bleiben und ihr Rückendeckung geben.
    Die Frauen gingen nicht schneller und hoben sich tatsächlich deutlicher von dem schwarzgrauen Hintergrund ab. Kein Licht erreichte sie, und sie selbst schalteten auch keine Taschenlampen ein oder entzündeten Fackeln. Der Weg wurde in der Finsternis weitergeführt.
    Ich konzentrierte mich auf die letzte Kehre und wartete, bis die ersten Gestalten dort erschienen.
    Nur Sekunden vergingen, als ich die Bewegung wahrnahm. Die Schwärze entließ die Menschen, die nicht mehr weitergingen, sondern sich sammelten, wobei die ersten den nachfolgenden Frauen einen entsprechenden Platz schufen.
    Es sah so aus, als hätten sie ihr Ziel erreicht. Es gab auch kein Weiterkommen mehr. Sie hätten die letzten Meter bis zu meinem Haus zurücklegen können, nur ein kurzer Anstieg wäre es noch gewesen, um den Eingang zu erreichen, aber das taten sie nicht.
    Man wartete, bis auch die letzte Person es geschafft hatte, diesen kleinen Platz zu erreichen.
    Wieder dieses Rücken, das Platzschaffen, das Flüstern. Zwar von mehreren
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