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0930 - Das Stigma

0930 - Das Stigma

Titel: 0930 - Das Stigma
Autoren: Jason Dark
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rechnete auch damit, daß sie das Haus verlassen hatte. Für eine Überraschung war die Heilerin eben immer gut.
    Ich hatte bisher nur die Hälfte des Zimmers durchleuchtet und bewegte die Lampe weiter. Ihr Weg führte an der Wand entlang, an der kein Bild hing, dafür aber Spinnen graue Muster auf dem fahlen Weiß hinterlassen hatten.
    Bis ich plötzlich stoppte.
    Ein Gegenstand erregte meine Aufmerksamkeit. Es war ein ziemlich großer Spiegel, der seinen Platz an einer freien Wandfläche gefunden hatte. Zwischen Decke und Fußboden war nicht mehr viel Platz. Dieser Spiegel war, wenn man vor ihm stand, das beherrschende Element in diesem Raum, und er warf den Schein meiner Lampe so blitzend zurück, als wollte er ihn nicht haben. Ich wurde sogar durch diesen Blitz geblendet.
    Mich interessierte der Spiegel. Es war mir, als wäre es aus einem Märchen entlassen und in das Haus gebracht worden. Er zog mich magisch an, hatte einen dunklen Holzrahmen, und die Fläche war nicht so hell und glänzend, wie man es von einem Spiegel erwartete. Das allerdings lag an dem Staub und den Spinnweben.
    Spiegel sind magische Symbole.
    Ich hatte damit meine Erfahrungen sammeln können und wußte auch, daß manche Tore waren, die in andere Welten führten.
    Handelte es sich bei diesem Spiegel um einen magischen?
    Äußerlich war ihm nichts anzumerken. Der Lampenstrahl glitt über die Fläche hinweg, die ihn reflektierte, aber nicht zu stark werden ließ. Es sah so aus, als wäre ein Teil von ihm aufgesaugt worden.
    Ich vergaß ihn für die nächsten Sekunden und leuchtete die Wand neben ihm ab.
    Sie war leer. Hatte in meinem Zimmer noch ein Kreuz gehangen, so suchte ich in diesem vergeblich nach ihm, und ich hatte den Eindruck, als existierte in dem Raum eine andere Atmosphäre als in dem, in dem ich übernachtet hatte.
    Vergeblich forschte ich nach einer Erklärung. Ich konnte sie mir einfach nicht geben. Sie blieb, sie war da, sie strömte etwas ab, das bei mir ein Kribbeln auf der Haut hinterließ.
    Warum? Weshalb? Wo war der Grund? Wieder leuchtete ich auf den Spiegel. Ihm traute ich nicht. Gefühl und Erfahrung erweckten bei mir diesen Eindruck. Der Spiegel war so etwas wie ein Fremdkörper. Er paßte eigentlich nicht in das Zimmer hinein, obwohl er auch nicht störte, wenn ich ehrlich war. Trotzdem kam ich mit ihm nicht zurecht.
    Ich untersuchte ihn genauer und war dabei auch näher an ihn herangetreten. Der Spiegel war glatt. Ich betone dies besonders, weil ich schon welche gesehen hatte, die sich anders anfühlten, rauher. Dieser hier aber war einfach nur glatt. Er sah auch aus wie neu.
    Mein Grinsen fiel schief aus, als ich daran dachte. So konnte man das nicht sehen. Dieser Spiegel mußte eine bestimmte Bedeutung haben, und ich wollte sie herausfinden.
    Wenn es sein mußte, mit dem Kreuz. Ich holte noch einmal Luft, wollte mich auch innerlich darauf einstellen, den Test durchzuführen, als etwas geschah.
    Nicht die Fläche bewegte sich, obwohl es zunächst den Anschein hatte.
    Die Bewegung war in der Fläche entstanden, und war ziemlich in der Mitte, so daß sie auf einen bestimmten Teil begrenzt blieb.
    Ich hatte dafür nicht gesorgt, denn ein anderes Phänomen war ebenfalls eingetreten.
    Hatte ich mich vorhin noch selbst in dem Spiegel betrachten können, so war meine Gestalt jetzt völlig verschwunden. Ich stand vor dem Spiegel und sah mich darin jedoch nicht. Als hätte ich mich innerhalb kurzer Zeit in einen Vampir verwandelt, denn er hatte ebenfalls kein Spiegelbild.
    Es war unglaublich, dieser Spiegel hatte sich verändert. Er war innerhalb kurzer Zeit zu einem völlig anderen Gegenstand geworden, obwohl er äußerlich noch so aussah wie bei meinem Eintritt.
    Ein Hammer!
    Unwillkürlich trat ich einen Schritt zurück. Ich war wachsam, ich dachte zudem an die Gefahr, die möglicherweise von dem veränderten Spiegel ausging. Wie aus weiter Ferne hörte ich die Stimmen der Frauen, die immer noch dieselben Sätze riefen, als wären sie dabei, das Klagelied für einen verstorbenen Menschen zu singen.
    In der Mitte des Spiegels verdichtete sich etwas. Aus irgendwelchen Tiefen trat etwas hervor und drängte nach oben, wo es sich dem Betrachter zeigen wollte. Ein Bild, ein Gegenstand, bisher nur in den schwachen Umrissen zu erkennen, aber das blieb nicht so.
    Noch immer war ich ein Mensch, der staunen konnte, und das geschah auch in dieser Situation. Das Hintergründige, das Versteckte kroch allmählich hervor. Es kam mir
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