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0930 - Das Stigma

0930 - Das Stigma

Titel: 0930 - Das Stigma
Autoren: Jason Dark
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das Kreuz aus den Händen zu schlagen.
    Sie aber hatte sich bereits entschlossen. »Ich willll…!« brüllte sie und preßte sich den Talisman genau dort gegen die Stirn, wo sich das Kreuz abmalte.
    Irrtum! Irrtum! Du hast dich geirrt! Alles ist ein verdammter Irrtum! Es klappt nicht, es war alles nur eine Theorie, nur eine Hypothese. Es ist nicht so, nicht…
    Der irre Schrei belehrte mich eines Besseren. Marcia hatte alles gewagt und alles verloren.
    Es war kein normales Kreuz, es war ein verändertes, einfach hingemalt oder auf die Haut gekratzt. Ich wußte es nicht mehr, ich sah nur, daß Marcia genau das Falsche getan hatte.
    Das Kreuz zerstörte sie.
    Sie ließ es fallen. Für einen Moment konnte ich noch ihr Gesicht erkennen, denn ich hatte die kleine Leuchte zur Seite gelegt, und Marcia fiel genau in den Strahl hinein.
    Nein, das war kein Gesicht mehr! Das war nur noch eine Masse aus Blut und Haut.
    Auf dem Bauch blieb Marcia liegen. Er kontrollierte trotzdem nach. Kein Herzschlag mehr, es war vorbei. Und als mir dies endgültig klar wurde, da hörte ich in meinem Rücken das Knacken und Knistern, als wäre etwas dabei, auseinanderzubrechen.
    Ich drehte mich um. Überrascht war ich nicht, daß der Körper des Engels zusammenfiel. Seine Aufgabe war erfüllt, er konnte zu Staub werden, wie es sich gehörte.
    Ich nahm die Lampe an mich und kletterte mühsam aus diesem alten Verlies hervor.
    ***
    In der Kirche fand ich zumindest die äußerliche Ruhe. Ich setzte mich in die zweite Bank, starrte auf den Altar und nahm ihn nicht auf, weil ich mit meinen Gedanken woanders war. Von draußen her drückte die Morgendämmerung gegen das alte Mauerwerk. Erste Sonnenstrahlen zeigten sich schüchtern an diesem neuen Tag und hinterließen auf den Scheiben schwache Reflexe.
    Das alles konnte meine traurige Stimmung nicht heben. Meine Lebensretterin war tot. Die verfluchte Brut aus einer anderen Welt hatte diesmal gesiegt. Dabei wußte ich nicht mal genau, wer nun mein Feind gewesen war.
    Letztendlich war es auch egal. Dem Bösen gehörten sie alle an, und manchmal sogar Kreaturen, die wir Menschen als Engel bezeichneten.
    Es gab eben auf vielen Gebieten Licht und Schatten.
    Ich stand auf und ging mit schweren Schritten durch das kleine Gotteshaus. Als ich die Tür öffnete, blendete mich die Sonne, und ich hörte auch das Zwitschern der Vögel.
    Es würde sicherlich ein schöner Spätsommertag werden. Aber davon hatte ich persönlich nichts, gar nichts. Ich war nicht einmal mehr in der Lage, meiner Lebensretterin zu danken. Wieder einmal dachte ich daran, wie ungerecht das Schicksal manchmal sein konnte…
    ENDE
    [1] Siehe John Sinclair Nr. 929 »Engelsblut«
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