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0930 - Das Stigma

0930 - Das Stigma

Titel: 0930 - Das Stigma
Autoren: Jason Dark
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da wie ein strammer Soldat.
    Die Luft war kühler geworden. Sie streichelte mein Gesicht, aber irgendwelche Geräusche hörte ich nicht. Das Dorf unter mir lag eingepackt in tiefes Schweigen.
    Schlief sie - schlief sie nicht?
    Ich drehte mich vorsichtig um. Viel war nicht zu erkennen. Das Bett stand eingepackt in der Dunkelheit des Zimmers, und auf ihm lag Marcia Morana, die ich nur in Umrissen sah. Auch sie verschmolz mit der Dunkelheit, abgesehen von ihrem Gesicht, das wie ein blasser Fleck schimmerte. Die Augen waren geschlossen.
    Ich lauschte ihren Atemzügen.
    Sie waren ruhig und gleichmäßig. Sie wälzte sich auch nicht von einer Seite zur anderen, sondern blieb liegen, als wäre sie eingefroren worden.
    Wer war Marcia?
    Ich kannte sie nicht gut, aber ich wußte, daß sie mir durch das heilende Blut des Engels das Leben gerettet hatte. Ich mußte ihr dankbar sein, auch wenn sie letztendlich eine Mörderin war und sicherlich dafür bezahlen würde.
    Vielleicht wäre es auch besser gewesen, wenn wir in London geblieben wären. Ich hatte vor unserer Reise nicht wissen können, welche Hintergründe dieser Fall für uns bereithielt, sonst hätte ich ihr von der Reise abgeraten.
    Auf der anderen Seite stand ihr Gewissen, das sicherlich belastet war.
    Sie trug schwer an dem Vorwurf, eine Mörderin zu sein und war deshalb mit mir gefahren, um einen Schlußstrich ziehen zu können. Das alles schoß mir durch den Kopf, aber es war nur eine Theorie, die mich nicht weiterbrachte.
    Ich blieb stehen und betrachtete die Frau. Es klappte jetzt besser, weil sich meine Augen mittlerweile angepaßt hatten. Und ich wunderte mich auch, daß sie so schnell eingeschlafen war, wo sie sich doch zuvor dagegen gewehrt und mir erklärt hatte, daß so etwas kaum möglich für sie war.
    Seltsam…
    Ich bewegte mich auf das Bett zu, gar nicht mal leise. Eine nicht schlafende Person hätte mich hören müssen, aber Marcia reagierte nicht. Sie schlief weiter. Tief und ruhig. Die Lampe nahm ich zwar als Hilfsmittel zur Hand, schirmte den dünnen Strahl aber ab, indem ich einen Finger auf das Glas legte. So leuchtete ich Marcia an. Sie wirkte entspannt. Nichts wies darauf hin, daß sie den Schlaf nur vorgetäuscht hatte. Kein Zucken der Augenlider, keine Bewegung an den Mundwinkeln, sie lag einfach nur da, ohne sich »falsch« zu benehmen.
    Sie spielte mir nichts vor, der Schlaf war echt.
    Ich trat wieder zurück, drehte mich und leuchtete den an der Wand hängenden Spiegel an.
    Dort hatte sich nichts, aber auch gar nichts verändert. Der Rahmen war vorhanden, die Fläche ebenfalls, nur sah sie in dieser dunklen Umgebung nicht mehr so hell auf. Sie war blasser geworden und wurde nur dort heller, wo ich meinen Lampenstrahl hergleiten ließ.
    Es ging auf vier Uhr zu. Noch eine Stunde ungefähr, dann würde die Morgendämmerung einsetzen. Ob sich bis zu diesem Zeitpunkt etwas verändert hatte?
    Ich wußte es nicht. Ich konnte es nur hoffen. Dieser Fall war brisant und doch versteckt. Er lag tief unter der Oberfläche verborgen, in einer anderen Welt, zu der wir Menschen keinen Zutritt hatten. Zumindest nicht im Normalfall.
    Vom Bett her hörte ich raschelndes Geräusch. Obwohl sehr leise, erschreckte es mich schon, und ich drehte mich langsam um, wobei ich einen Schritt zur Seite ging, damit ich nicht zwischen dem Bett und dem Spiegel stand.
    Die kleine Leuchte hatte ich wieder verschwinden lassen. Ich fand mich auch in der Dunkelheit zurecht und sah wie sich Marcia nicht nur im Liegen bewegte, sondern dabei war, sich langsam aufzurichten.
    In diesem Augenblick war mir klar, daß ich genau das Richtige getan hatte.
    Es ging los!
    ***
    Ich wollte Marcia auf keinen Fall stören, ich wollte auch keinen anderen stören und zog mich deshalb zurück. In einer Zimmerecke blieb ich stehen, umgeben von Schatten wie von finsteren Tüchern, wobei ich das Bett und die auf ihm liegende Gestalt wie einen Scherenschnitt erkennen konnte, der sich vor den beiden offenen Fenstern abhob.
    Marcia saß im Bett. Etwas krumm, denn sie hielt den Kopf nach vorn gebeugt und die Beine leicht angezogen. Sie schaute ins Leere, die Arme hingen zu beiden Seiten des Körpers herab, und aus ihrem Mund drangen leise, scharfe Atemzüge, längst nicht mehr so ruhig wie die der Schlafenden.
    Sie schnaufte.
    Dann bewegte sie sich wieder.
    Die alten Matratzen quietschten. Marcia hatte sich zur Seite gedreht, und alles wies darauf hin, daß sie bald aus dem Bett steigen würde.
    Ich
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