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Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie
Autoren: Tom Sharpe
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Kapitel 1
    Lord Petrefact drückte den Klingelknopf an der Armlehne seines Rollstuhls und lächelte. Es war kein freundliches Lächeln, doch hätten auch nur wenige von denen, die den Präsidenten des Petrefact-Konzerns etwas besser kannten – und so ein paar Unglückliche gab es wirklich –, ein freundliches Lächeln von ihm erwartet. Selbst Ihre Majestät, die sich gegen ihre Überzeugung von ihrem mit wenig Skrupeln behafteten Premierminister hatte überreden lassen, Ronald Osprey Petrefact in den Adelsstand zu erheben, hatte sein Lächeln als nahezu bedrohlich empfunden. Niedrigeren Würdenträgern wurde ein Lächeln zuteil, das einer Schlange ähneln oder ganz unverhohlen sadistisch sein konnte, je nachdem, welches Ansehen sie bei ihm genossen – ein Maßstab lediglich für ihre augenblickliche Nützlichkeit oder, im unangenehmeren Fall, dafür, daß er sie überhaupt nicht brauchte. Mit einem Wort, Lord Petrefacts Lächeln war nichts anderes als die Nadel seines ganz persönlichen Barometers, das im allerbesten Fall »günstig« anzeigte, weit häufiger aber auf Sturm stand. Und seit seiner Krankheit, hervorgerufen durch die konzentrierten Bemühungen eines von ihm bezahlten Wirtschaftsjournalisten (der sich nichtsahnend herb über Aktien geäußert hatte, die Lord Petrefact kürzlich erworben hatte) und einer boshaften Auster, hatte es ihm sein Lächeln derart verzogen, daß es von der Seite so aussah, als würde er die Zähne blecken.
    An diesem besonderen Morgen jedoch war sein Lächeln fast freundlich zu nennen. Es war ihm nämlich eingefallen, wie er, um seine Lieblingsmetapher zu gebrauchen, zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen konnte, und da es sich bei einer dieser Fliegen um die Mitglieder seiner eigenen Familie handelte, war der Gedanke außerordentlich erfreulich. Wie so viele große Männer haßte Lord Petrefact seine Nächsten und Teuerstenwobei sich die Nähe generell und im Fall seines Sohnes Frederick das Teuersein konkret direkt proportional zu seinem Haß verhielten. Doch was er vorhatte, würde nicht nur seine unmittelbare Familie ärgern. Die zahlreichen, über die ganze Welt verstreuten und überall teuflisch einflußreichen Petrefacts würden maßlos empört sein, und da er sie noch nie hatte leiden können, bereitete es ihm unsägliches Vergnügen, sich ihre Reaktionen auszumalen.
    Es hatte all seiner finanziellen List und Tücke und der Mitwirkung einer amerikanischen Firma bedurft, die er sich durch Betrügereien erschlichen hatte, um ihren Einmischungen in das, was bislang das Familienunternehmen gewesen war, ein Ende zu setzen. Sogar seine Erhebung in den Adelsstand hatte Anlaß zu Bissigkeiten gegeben. Zum Schweigen hatte sie erst seine Drohung gebracht, er würde ins Gefängnis wandern und damit den Namen des ganzen Petrefact-Clans in den Schmutz ziehen, wenn man es ihm verwehrte, seinen eigenen zu adeln. Sie hatten sich damit gebrüstet, eine der ältesten Familien im angelsächsischen Bereich zu sein und ihre Vorfahren bis auf die Zeit vor Wilhelm dem Eroberer zurückverfolgen zu können. Nicht, daß sie sich gesellschaftlich sonderlich hervorgetan hätten. Sie waren so weitgehend unter sich geblieben, daß Onkel Pirkin, der sich in Boston, Massachusetts, der Ahnenforschung widmete und den Stammbaum zusammentrug, diverse Male fiktive Ehefrauen bemühen mußte, um den dem Inzest anhaftenden Makel zu verschleiern.
    Aus einem recht undurchsichtigen Grund hatten die Petrefacts eine statistisch gesehen anormale Anzahl angeblich männlicher Nachkommen hervorgebracht. In dieser Hinsicht mußte Lord Petrefact dem alten Pirkin ausnahmsweise recht geben. Denn für die Abnormität die statistische wie auch die sexuelle – hatten ihm seine eigenen Söhne den schlagenden Beweis geliefert. Seine Frau, die verblichene Mrs. Petrefact, hatte recht voreilig damit geprahlt, nie halbe Sachen zu machen, und ihre Behauptung dann prompt widerlegt, indem sie gleich Zwillinge zur Welt brachte. Der Vater hatte diese Geburt mit Mißfallen zur Kenntnis genommen. Schließlich hatte er die Dame ihres Geldes wegen geheiratet und nicht, weil sie auf Anhieb Zwillinge produzieren konnte.
    »Es hätte wohl noch schlimmer kommen können«, meinte er zähneknirschend, als man ihm die Botschaft überbrachte. »Sie hätte ja auch Vierlinge werfen können, und noch dazu Töchter.« Als die Zwillinge, Alexander und Frederick, in die Pubertät kamen, hegte sogar ihre betriebsblinde Mutter allmählich Zweifel.
    »Sie
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