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138 - Die Pestburg

138 - Die Pestburg

Titel: 138 - Die Pestburg
Autoren: Dämonenkiller
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Die Erinnerungen kamen während der Nacht; sie verfolgten und peinigten ihn, doch er konnte ihnen nicht entfliehen.
    Sein Gedächtnis spie die alptraumhaften Tode wie schlecht zusammengeklebte Filmausschnitte aus, die sich endlos wiederholten. Es waren Gedankenfetzen, die seinen Schlaf zur Marter machten. Mahnend zogen die letzten Minuten seiner früheren Leben vorbei, die ihm bewußt waren, beklemmend krochen die damaligen Ängste und Hoffnungen in ihm hoch.
    Coco Zamis blickte ihren Gefährten besorgt an.
    Dorian Hunter stöhnte. Mit der rechten Hand stieß er die dünne Decke zur Seite. Seine Brust hob sich rascher, die Augen bewegten sich heftig unter den geschlossenen Lidern. Der Dämonenkiller öffnete den Mund und schrie durchdringend, dabei warf er sich wild im Bett hin und her.
    Sein Gesicht veränderte sich erschreckend.
    Baron Nicolas de Conde…
    Als ich wieder zu mir kam, war ich bereits an den Pfahl gebunden. Die Flammen umzüngelten mich, und ich erlebte den Augenblick meines Todes in allen Einzelheiten mit.
    Dann erblickte ich Equinus durch die Flammen. Er hielt die Lanze und schien nur darauf gewartet zu haben, daß ich das Bewußtsein erlangte, dann stieß er zu. Ich sah noch sein satanisches Grinsen, fühlte den schmerzenden Einstich - und dann überhaupt nichts mehr.
    Juan Garcia de Tabera…
    Vor meinem Gesicht baumelten ein Kreuz und ein Rosenkranz. Einer der Priester hielt meinen Oberkörper fest. Sie hatten meine Brust entblößt. Ich sah den Holzpfahl, den einer in der rechten Hand hielt. Ich wollte mich bewegen, wollte um Gnade winseln, doch ich konnte nichts tun; ich war wie gelähmt.
    Deutlich spürte ich den brennenden Schmerz, als der Pfahl mein Herz erreichte.
    Irgendwann starb ich.
    Georg Rudolf Speyer…
    Ich zerstörte den magischen Kreis, ließ Alraune an mich herantreten und genoß ihre Umarmung, bis mein ureigenstes Ich den sterbenden Körper des Georg Rudolf Speyer verließ und in einen anderen Körper wanderte. In den Körper eines Neugeborenen irgendwo auf der Welt.
    Michele da Mosto…
    „Töte dich, Michele da Mosto!" schrie der Kokuo.
    Ich gehorchte. Ich stieß mir die Klinge in den Leib.
    „Sieh mich an, Michele da Mosto!" befahl der Herrscher.
    Ich blickte hoch. Tränen rannen über meine Wangen, und der Schmerz raubte mir den Atem. Ich spürte, daß sich mein Geist anschickte, den Körper des sterbenden Michele da Mosto zu verlassen. Der Kopf des Kokuo bewegte sich. Er drehte sich um 180 Grad, und ich sah ein zweites Gesicht, das ich vor fast genau hundert Jahren schon einmal gesehen hatte.
    Der Kokuo war niemand anderer als Heinrich Cornelius Mudt, den ich 1487 in meinem Leben als Baron de Conde kennengelernt hatte.
    Das Bild verblaßte langsam.
    Tomotada…
    Und nun erfüllte sich mein Schicksal. Die furchtbaren Geräusche, die der Rokuro-Kubi erzeugte, verklangen. Finsternis senkte sich über meinen Geist.
    Tomotada war nicht mehr. Mein Geist aber lebte weiter, wanderte durch die unbegreiflichen Ewigkeiten, bis er einen neuen Körper fand. Den Körper eines Neugeborenen, das irgendwo in der Welt gerade zum Leben erwachte.
    Ich wußte nicht, in welchem Land und auf welchem Erdteil meine neue Heimat lag. Ich wußte nur, daß ich die Mächte des Bösen überlistet hatte und Geborgenheit in einem neuen Körper fand.
    Bald würde die Erinnerung an die Leiden meines fünften Lebens verblassen, bis sie für etliche Jahre ganz erlosch und erst wieder in Jahr und Tag zurückkehrte.
    Was würde mir das sechste Leben bringen? Wer würde ich sein? Ich hoffte nur eines: daß ich nicht wieder zum Sklaven der Mächte der Finsternis wurde.
    Die Bewegungen des Dämonenkillers wurden langsamer. Ein paar Minuten schlief er noch weiter, schließlich stieß er ein tiefes Seufzen aus, gähnte geräuschvoll und öffnete die Augen.
    Verwirrt starrte er Coco an, die mit einem Tuch den Schweiß von seinem nackten Oberkörper wischte.
    „Waren es wieder die gleichen Alpträume?" fragte sie.
    Dorian nickte. „Doch das Ende war diesmal anders. Es war eine sinnlose Aneinanderreihung kurzer Szenen. Zuerst eine Schlacht, mit Kanonendonner, in den sich die Schreie der Verwundeten mischten. Eine alte Burg, Gehenkte an einem Baum, Wölfe in einem Wald. Dazwischen war immer ein Mädchengesicht zu sehen. Es hatte rotes Haar, das wie Feuer glühte."
    „Hast du das Mädchen erkannt?"
    Mißmutig schüttelte er den Kopf. „Irgend etwas wollte durchbrechen. Das alles habe ich schon vor Monaten in Form
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