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0907 - Die blutenden Bäume

0907 - Die blutenden Bäume

Titel: 0907 - Die blutenden Bäume
Autoren: Jason Dark
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und er hat von Vögeln gesprochen, die er hörte, als sie über dem Knast kreisten…«
    »Bitte!«
    »Ja, von Vögeln.«
    »Das ist eine Hammer«, sagte ich leise. »Denn die Vögel habe ich gesehen. Außerdem wirst du es kaum glauben, aber sie haben mich sogar angegriffen. Ich saß hier im Wagen und wartete auf dich, als mehr als ein halbes Dutzend Vögel erschienen, das Auto umkreisten, sich sogar auf die Kühlerhaube hockten und mich, als ich ausstieg, attackierten. Sie sind sehr nahe an mich herangekommen. Ein Vogel hat es sogar geschafft, mir durch seinen Schnabelhieb eine kleine Wunde am Ohr beizubringen. Wenn ich das jetzt mit deinen Aussagen vergleiche, Harry, so kann dieser Grote nicht gelogen haben. Er hat recht gehabt. Die Vögel waren da, es hat sie gegeben. Ich bin Zeuge.«
    »Wenn wir darauf aufbauen, John, dann wird es den Wald mit seinen blutenden Birken auch geben.«
    »Bestimmt.«
    »Kannst du dir das erklären?«
    Ich hob die Schultern. »Nein, das kann ich nicht. Es ist ein Rätsel, ein magisches, falls es stimmt. Ein Wald mit blutenden Birken. Aber wo, Harry?«
    Stahl knetete sein Kinn. »Ich denke schon, daß ich dir dabei helfen kann. Ich weiß Bescheid, zwar nicht genau, aber immerhin. Grote war dabei, den Ort preiszugeben. Er hätte es auch getan, wenn er nicht von diesem Blutstrom überrascht worden wäre. Den Namen einer Stadt hatte er ausgesprochen. Bamberg.«
    »Das ist eine Spur.«
    »Ja, aber nicht die genaue. Er wollte mit Details herausrücken, dann überkam es ihn. Ich konnte nur noch das Wortfragment Hero… verstehen. Das war alles.«
    Ich runzelte die Stirn. »Sieht nicht gut aus. Oder kannst du damit etwas anfangen?«
    »Im Moment nicht.«
    »Aber Bamberg steht?«
    »Ja, wie auch der Wald mit den blutenden Birken. Leider konnte er das folgende Wort nicht aussprechen. Es fehlten einige Buchstaben, die müssen wir uns dann zusammenreimen.«
    »Hast du denn darüber nachgedacht, was es sein könnte?«
    »Ich gehe davon aus, daß es ein Ort, ein Platz oder auch eine Stadt oder ein Dorf ist.«
    »Stadt und Dorf sind schon gut.«
    »Meinst du?«
    »Bestimmt. Es ist nur so, daß ich mich nicht so gut auskenne in diesem Land.«
    »Ich auch nicht besonders. Im Osten finde ich mich besser zurecht. Aber Bamberg kennt eigentlich jeder. Und dieses ›Hero‹ könnte ein Ort in der Nähe sein.«
    »Du hast doch einen Autoatlas.«
    Harry grinste. »Was glaubst du, John, was ich gerade tun wollte?« Er bückte sich und öffnete die Fahrertür. Der Autoatlas steckte im Türfach.
    Der Ort Bamberg war schnell gefunden. Wir suchten weiter, und es war Harry, der plötzlich lachte. »Da, in der Nähe, da haben wir Heroldsbach, die kleine Stadt im Fränkischen. Idyllisch, verschlafen, irgendwie nett, waldreich die Umgebung, aber Birken, die einen besonderen Saft absondern, wollen wir Grote glauben.«
    »Blutende Birken.«
    Stahl klappte das Buch zu. »Wir sollten uns den Wald mal aus der Nähe anschauen.«
    »Wie lange werden wir unterwegs sein?«
    »Zwei Stunden vielleicht. Kann auch weniger sein. Heute weiß man das nie.«
    »Dann laß uns fahren.«
    Wir stiegen ein. Zuvor hatte ich noch eine Blick auf das Zuchthaus geworfen. Trotz des hellen Frühlingslichts und des Sonnenscheins konnte die düstere Aura nicht weggedampft werden. Es schien, als würde die Mauer das Böse auch nach außen abgeben, das sich hinter ihr verbarg.
    Ich blickte zum Himmel.
    Vögel sah ich zwar, aber keine Krähen oder Raben. Was da über uns flog und zwitscherte, waren harmlose Spatzen. Dennoch rechnete ich damit, daß mich die Raben nicht vergessen hatten…
    ***
    Die Vorhänge hatten das Licht gefiltert und das Zimmer zur einer düsteren Höhle gemacht, in der zwei Gestalten auf dem zerwühlten Bett lagen. Die beiden nackten Körper waren verschwitzt. Die Frau, die auf dem Rücken lag und mit einem harten und illusionslosen Blick zur Decke starrte, wäre am liebsten schon kilometerweit weg gewesen, doch war ihr Freier dagegen gewesen. Er war es, der das Geld hatte, und er hatte ihr noch einmal drei Scheine gegeben, damit sie blieb. Da die Geschäfte nicht besonders gut gingen - auch eine Hure verdiente nicht so rasch fünf Blaue an einem Tag - war Elke geblieben und wartete darauf, daß etwas geschah.
    Nein, eigentlich wartete sie nicht darauf. Sie hoffte, daß Fritz genug hatte. Er war wirklich prall gewesen, und sie hatte für ihr erstes Geld verdammt »arbeiten« müssen. Er hatte sich auf sie gestürzt, und er hatte
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