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0907 - Die blutenden Bäume

0907 - Die blutenden Bäume

Titel: 0907 - Die blutenden Bäume
Autoren: Jason Dark
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Vögel, die in einem Käfig gehalten wurden.
    Der drehte sich um, weil Horst Grote inzwischen ruhiger geworden war und Harry sehen wollte, was sein Kollege tat. Müller rührte sich nicht. Er stand einfach nur da und starrte ins Leere. Mit seiner komischen Mütze auf dem Kopf wirkte er wie jemand, der darauf wartet, daß man ihm den Käse brachte, den er für einen Werbespot probieren sollte.
    Dafür wurde die Tür aufgestoßen. Die beiden Aufpasser betraten den Besucherraum. Der Lärm hatte sie angelockt. Als sie in Müllers Blickfeld gerieten, schickte der Mann sie mit barschen Worten wieder fort. Sie gehorchten wie zwei dressierte Hunde.
    Horst Grote krümmte sich am Boden und stöhnte leise vor sich hin. Er hielt den Mund offen und schnappte dabei nach Luft. Seine Augen waren groß und sahen glasig aus. In ihrer Umgebung verteilte sich das Blut.
    Die Schultern des Mannes zitterten, die Arme ebenfalls. Er schien zu frieren.
    Harry Stahl konnte sich auf seine Aussagen noch immer keinen Reim machen. Er faßte einen Stuhl an der Lehne, hob ihn an und ging mit ihm zu Horst Grote. Neben dem Mann stellte er den Stuhl hin. Grote konnte die Stahlbeine sehen.
    »Stehen Sie auf!«
    Der Gefangene rührte sich nicht.
    Harry wollte ihn nicht ein zweites Mal bitten. Er holte Müller her, der nur zögernd kam, denn der Mann hatte es schwer, die schaurige Szene zu verdauen.
    »Helfen Sie mir mal.«
    »Wieso?«
    »Ich will ihn auf den Stuhl setzen.«
    »Und dann?«
    »Fassen Sie schon mit an, verdammt!«
    Müller bückte sich endlich. Während er keuchte, fluchte Harry Stahl, denn Grote war schwer. Er führte Selbstgespräche. Die Arme hielt er noch immer schützend vor den Körper. Auf der Sitzfläche blieb er hocken und starrte ins Leere.
    Dort, wo er mit seinem Kopf gegen die Wand gelaufen war, malten sich rote Stellen ab. Blut!
    »Können Sie mich hören?« fragte Harry, der dem Gefangenen gegenübersaß.
    Grote schwieg.
    Harry sah die Handgelenke des Mannes. Grote hatte so intensiv an den Fesseln gezerrt, daß die Haut aufgeplatzt war.
    »Hören Sie mich?«
    »Laßt mich in Ruhe!« zischte der Mann.
    »Wunderbar, Herr Grote. Sie haben ja Ihre Stimme nicht verloren. Wie war das mit den Vögeln, von denen Sie gesprochen haben?«
    Grote schrak zusammen. Harry hatte ihn aus seiner Lethargie gerissen.
    Er hob sogar den Blick, runzelte die Stirn und murmelte: »Vögel?«
    »Genau die.«
    »Sie waren hier.«
    »Wie schön. Wo denn? Ich habe sie leider nicht sehen können. Die Mauern sind zu dick.«
    »Über uns.«
    »Aber nicht an der Decke.«
    »Nein, nein.« Er schüttelte den Kopf. »Sie haben über dem Knast gekreist. Ich habe sie gespürt. Sie waren böse. Ich hörte ihre Schreie.«
    »Und was wollten sie?«
    »Sie haben mich gesucht.«
    »Tatsächlich?«
    Jetzt, wo sich Grote wieder an die Vögel erinnerte, hob er den Kopf und nickte vor sich hin. »Ja, ja, die Vögel. Sie haben mich gefunden. Ich wußte es. Aber ich konnte nichts tun.«
    »Warum hat man Sie denn gesucht?«
    »Sie waren im Wald.«
    Harry runzelte die Stirn. »Im Wald?« Er lächelte. »Es gibt viele Wälder…«
    »Aber nur einen Birkenwald. Da bluten die Bäume.«
    »Wo befindet sich der Wald?«
    »Nicht hier.«
    »Sondern?«
    »Bamberg, Hero…« Plötzlich schrie er auf. Er zuckte aus seiner sitzenden Haltung in die Höhe und riß den Mund sperrangelweit auf.
    Das war nicht alles, denn beide Männer erlebten einen irren Schrecken.
    Aus dem weit geöffneten Mund quoll ein gewaltiger Strom hervor. Ein armdicker, rotbrauner Strahl.
    Himmel, das war Blut! Harry Stahl und sein Kollege Müller schauten zu, wie die Masse zu Boden klatschte und dort zu einer Lache auseinanderlief.
    Horst Grote kippte nach vorn. Noch immer entließ sein Mund die Flüssigkeit, aber der Strahl hatte sich abgeschwächt.
    Bevor der Gefangene in seinen eigenen Blutteppich kippen konnte, fing Harry ihn auf, drehte ihn zur Seite und legte ihn auch so auf den Boden.
    Er brauchte nicht erst nachzufühlen, denn er wußte auch so, daß Horst Grote nicht mehr lebte. Der Blick in die starren Augen sagte ihm genug.
    Es waren die eines Toten.
    Auch Müller kam herbei. »Er lebt nicht mehr - oder?«
    »So ist es.«
    Müller schaute auf die große Lache. »Und er hat das Blut gebrochen. Er hat es ausgekotzt, ich meine natürlich ausgespien. Himmel, ich bin Zeuge gewesen und frage mich, wie so etwas nur geschehen konnte. Kommen Sie, Stahl, Sie müssen mir das
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