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0887 - Blutiger Nebel

0887 - Blutiger Nebel

Titel: 0887 - Blutiger Nebel
Autoren: Volker Krämer
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Hinter sich konnte sie den Überwachungsmonitor sehen, der ihre Vitalzeichen durchgab. Es sei denn, sie hatte wieder einmal einen der hauchdünnen Drähte abgerissen, die überall an ihrem Körper befestigt waren. Dann gab es Ärger. Die Schwestern hier reagierten äußerst unwirsch, wenn ihre Patienten nicht ruhig in ihren Betten liegen wollten. Lea war das gleichgültig. Über den erhobenen Zeigefinger der Oberschwester konnte sie nur müde grinsen - wer war das junge Ding denn schon?
    Leas Blick ging ängstlich zur Digitaluhr, die über der Tür angebracht war. Beinahe zwei Stunden nach Mitternacht. Sie hoffte, dass in dieser Nacht kein Notfallpatient mehr eingeliefert werden würde. Denn jedes Mal, wenn das in den vergangenen Nächten geschehen war, hatte der Albtraum, das Entsetzen nicht lange auf sich warten lassen. Das Rot… es war erschienen… und hier auf der Intensivstation taten alle so, als wäre nichts geschehen.
    Doch das wusste Lea besser! Die Patienten waren tot… alle waren sie in diesen Nächten gestorben. Woran? Die Sterblichkeitsrate auf Intensivstationen war nicht gering - das lag in der Natur der Sache, denn wer hier eingeliefert wurde, dessen Leben hing doch meist an einem seidenen Faden, der sich aufzulösen begann.
    Lea wusste es besser. Rot war der Tod…
    ... Lea schrak hoch. Ihr Blick ging zur Uhr - 3:12 ... war sie also doch kurz eingeschlafen? Im Nebenraum wurden Stimmen laut. Hektische Tätigkeit entwickelte sich, die Lea durch die schmalen Schlitze der Lamellenwände in Bruchteilen erkennen konnte. Sie brachten eine Frau, reichlich korpulent, wie es schien ... und Lea konnte die breiten Mullbinden erkennen, die um den aufgedunsenen Körper gewickelt waren. Wahrscheinlich eine Notoperation. Das Piepsen eines Monitors wurde laut, man hatte sie angeschlossen. Gut eine halbe Stunde dauerte es, bis wieder langsam Ruhe einkehrte.
    Die Ruhe, vor der Lea sich jetzt fürchtete!
    Ein paar Wortfetzen hatte sie aus dem Nebenraum mitbekommen. »Stabil… wohl über dem Berg…« Das klang zuversichtlich, doch eine weibliche Stimme hatte die Worte: »Nicht schon wieder …« folgen lassen. Leas Berichten aus den letzten Nächten hatte hier niemand Glauben geschenkt; man tat die Phantasien der Frau mit ihrem Zustand, mit dem Fieber ab. Änderte man nun diese Meinung?
    Lea versuchte so viel wie nur möglich durch die Lamellen erkennen zu können. Ihre Verkabelung hinderte sie daran, dichter an die flexiblen Trennwände heranzukommen. Als alle gegangen waren, hörte Lea nur die unruhigen Atemzüge der Patientin… und ein unterdrücktes Husten, das garantiert nicht von der frisch operierten Frau kam. Sie hatten eine Wache im Raum belassen! Lea atmete auf. Was jetzt auch immer geschehen mochte - sie war in diesem Fall nicht die einzige Zeugin. Entspannt legte sie sich auf den Rücken. Vielleicht wurde diese Nacht doch eine ruhige werden?
    Vielleicht würde ja auch überhaupt nichts geschehen.
    Lea schlief ein.
    ***
    Es fühlte sich an wie ein elektrischer Schlag, der sie aus der ersten Schlafphase riss. Die Uhr zeigte ihr deutlich, dass sie keine fünf Minuten im Dämmerzustand verbracht hatte. Für lange Momente fühlte Lea sich orientierungslos. Dann drang es an ihre Ohren. Ja, so hatte es doch immer begonnen. Dieser Ton, dieser ferne Klang… bedrohlich und zugleich betörend.
    Das Rot kam!
    Jetzt musste die Schwester im Nebenraum gleich Alarm schlagen. Dann würden es alle sehen, alle die, die Lea für eine Spinnerin gehalten hatten, die im Fieberwahn dummes Zeug von sich gab. Wie ein Schleier, gewebt aus Angst und Furcht, legte sich das Rot über den Raum hinter der Trennwand, die wie eine unüb er windbare Barriere zwischen Lea und dem Tod stand.
    Warum schrie die Schwester nicht? Warum ging kein Alarm los?
    Lea setzte sich in ihrem Bett auf. Sie fühlte, wie ein feiner Hauch sich in ihre Atemwege schlich… das Atmen… es fiel ihr plötzlich so schwer. Mühsam kam sie auf die eigenen Füße. Zwei Schritte nur, dann bremste die Verkabelung Lea. Doch das interessierte sie in diesen Sekunden nicht - mit einem Ruck entledigte sie sich der dünnen Drähte, riss sich die Manschette vom Blutdruckmessgerät ab.
    Warum kam denn niemand zu Hilfe?
    Lea stolperte gegen die Trennwand, denn Angst und Fieber nahmen ihr die Standfestigkeit, die sie sonst so auszeichnete. Ihre Knie gaben nach, und Lea Genada suchte nach einem Halt. Ihre Finger fanden ihn in den Lamellen - mit einem Ruck riss sie die komplette
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