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0887 - Blutiger Nebel

0887 - Blutiger Nebel

Titel: 0887 - Blutiger Nebel
Autoren: Volker Krämer
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ganz besonders vermisste - denn die Clinique Saint Charles machte keine Ausnahme bei der weltweit verbreiteten Tatsache, dass man Krankenhauskost einfach nur mit Widerwillen zu sich nehmen konnte - und einer Reisetasche mit frisch gewaschener Wäsche, betrat Quentin das Gebäude. Er orientierte sich sofort zu den Fahrstühlen.
    Woran lag es nur, dass Intensivstationen nahezu immer in den Kellerräumen angesiedelt waren? Lea hatte da schon immer ihre eigene Interpretation. »So können sie besser den Murks verschwinden lassen, den sie dort anrichten.« Für solche Späße fehlte ihr jedoch jetzt die Kraft.
    Die Schwestern begrüßten Quentin mit freundlichem Kopfnicken und Lächeln. Hier unten waren Angehörige äußerst gerne gesehen, entlastete ihre Anwesenheit doch das überforderte Personal.
    Die gesamte Abteilung war äußerst steril und clean aufgebaut - und clever dazu, denn mit wenigen Handgriffen ließen sich die einzelnen Räume vergrößern oder auch verkleinern. Alles funktionierte mit beweglichen Wänden. Momentan schien es wirklich ruhig zu sein. Das konnte sich allerdings blitzschnell ändern, wenn neue Patienten eingeliefert wurden. Quentin hatte jedes Mal Angst, wenn er sich der Parzelle näherte, in der Lea lag.
    Sie war wach. Ihre wunderschönen Augen blickten ihm direkt entgegen, doch Quentin entging nicht der feine Glanz, der in diesem Blick lag. Der Monitor, der am Kopfende von Leas Bett angebracht war, zeigte ihre Vitalfunktionen-Blutdruck, Puls, EKG… und auch die aktuelle Körpertemperatur. 38,5… noch immer Fieber. Die Entzündung tobte also weiter in Leas Körper.
    Die Begrüßung fiel herzlich aus, dabei hatten sie sich ja erst vor wenigen Stunden gesehen. Lea stürzte sich mit Heißhunger auf die Obstkonserve, die Quentin ihr mitgebracht hatte.
    »Wie war die Nacht, mein Schatz?« Quentin setzte sich auf die Bettkante, sah seiner Frau beim Essen zu. Leas Blick suchte den direkten Weg zu seinem.
    »Rot. Blutrot… schlimmer als zuvor.« Ihre Stimme, von Natur aus rauchig, war von der Entzündung noch stärker in Richtung Reibeisen gedrängt worden. Quentin atmete tief durch. Die Horrorgeschichten von Rot und Blut kannte er nun bereits. Es war das Fieber, das diese Phantasien in Leas Gehirn trieb… und Phantasie besaß sie ja schon ohne Lungenentzündung im Überfluss.
    »Sie brachten einen aus dem OP, direkt in den Nebenraum.« Lea erzählte stockend, doch jedes einzelne Wort kam voll Überzeugung aus ihr. »Erst schien ja alles gut, aber dann wurde er unruhig… begann zu strampeln. Und dann wollte er sogar aufstehen. Konnte ich alles genau beobachten.« Die Trennwände bestanden aus waagerecht angebrachten Lamellen - durchaus möglich, bei der entsprechenden Beleuchtung da etwas hindurch beobachten zu können. Diesen Teil der Geschichte glaubte Quentin seiner Frau also durchaus.
    Lea verdrückte gierig zwei weitere Birnenstückchen aus der Dose, doch dann schien es Quentin, als blicke sie glatt durch ihn hindurch, als sie fortfuhr.
    »Ich habe Alarm geschlagen… er war… von seiner Liege gefallen. Plötzlich waren da so viele Ärzte. Ich konnte den Defibrillator hören… immer und immer wieder.« Quentin nahm Lea die Konserve aus den Händen, denn sie begann unruhig zu werden, bewegte sich im Bett hin und her. »Ein Arzt rief, dass sie ihn verlieren würden… ein anderer gab eine Anweisung nach der anderen.« Leas Hand klammerte sich um Quentins Unterarm. »Dann ganz plötzlich wurde es ruhiger. Ich wusste nicht, ob es gut oder böse geendet hatte. Die Schwestern und Ärzte sprachen ganz leise miteinander, da konnte ich nichts verstehen. Irgendwann kam ein Arzt zu mir. Er meinte, ich solle versuchen zu schlafen, es wäre alles gut. Dann ging er - ohne weitere Erklärung.«
    Quentin wusste aus seiner aktiven Feuerwehrzeit, was auf Intensivstationen in mancher Nacht geschah. Für die anderen Patienten, die das alles mehr oder weniger mitbekamen, entstand eine Situation der Ohnmacht, der Hilflosigkeit… und vielleicht auch der Angst, selbst in eine solche Situation zu kommen. Jeder ging wohl anders damit um. Lea schien das alles zu übersteigern, sich ihre eigene Welt hinzu zu denken. Quentin wusste, was nun kommen würde… und Lea ließ ihn nicht lange warten.
    »Dann war alles still - und das Rot kam, weißt du?« Beinahe sagte sie das bittend, bettelnd darum, dass Quentin ihr doch glauben möge.
    Genau das war es jedoch, was ihm ganz einfach nicht gelingen wollte…
    ***
    Der
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