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0867 - Die Pesthexe von Wien

0867 - Die Pesthexe von Wien

Titel: 0867 - Die Pesthexe von Wien
Autoren: Christian Schwarz
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sie die Raben, die zu Hunderten hier flatterten, deutlich wahrnehmen. Auf dem First des Kapuzinerklosters drängten sie sich dicht an dicht. Der Meister des Übersinnlichen runzelte die Stirn. Etwas war hier im Busch.
    Bruder Laurentius schloss die Tür zur Kapuzinergruft auf. Natürlich den Ausgang. Als die Gruppe den Gedenkraum für Kaiser Karl I. betrat, erwärmte sich Merlins Stern leicht.
    »Vorsicht, zurückbleiben«, warnte der Professor. »Hier ist noch irgendetwas Dämonisches. Ich gehe alleine rein.«
    Nicole nickte. Auch die beiden Mönche beugten sich Zamorras Autorität.
    Der Professor ging weiter in die Gruft hinein. Vorsichtig sah er sich um. Vor ihm stand der Sarkophag des Kaisers Franz Josef auf einem weißen Marmorkatafalk. Links daneben ruhte Kaiserin Elisabeth, rechts ihrer beider Sohn, Kronprinz Rudolf. Ein Käfig aus Panzerglas schützte die drei Särge vor allzu aufdringlichen Sissi-Verehrern.
    Urplötzlich reagierte Merlins Stern. Leuchtend grüne Energie floss heraus und hüllte den Professor ein. Der Schutzschirm zeichnete exakt Zamorras Körperformen nach und wirkte wie eine wabernde Aura. Gleichzeitig schoss ein silberner Angriffsblitz aus dem Zentrum des Amuletts. Er schlug direkt in das Panzerglas ein, ohne Schaden anzurichten. Ein zweiter Blitz folgte. Er verschwand umgehend im Nichts. Einen Meter vor Zamorras Gesicht!
    Der Meister des Übersinnlichen schüttelte verwirrt den Kopf. Da war nichts. Was beim Darmdurchbruch der Panzerhornschrexe griff Merlins Stern an? Drehte Taran, zeitweilig aushäusiges Amulettbewusstsein, das sich neuerdings wieder an alter Wirkungsstätte befand, allmählich durch? Oder war da etwas im Unsichtbaren?
    Das Amulett hielt die grüne Schutzaura aufrecht. Zamorra drang weiter in die Gruft vor. Wieder zuckten vereinzelte Silberblitze. Völlig willkürlich rasten sie durch das Gewölbe und verpufften irgendwo in der Luft. In der Karlsgruft entfesselte das Amulett ein lautloses Gewitter. Hunderte von Blitzen schossen im Zehntelsekundentakt kreuz und quer durch den Raum. Dabei konzentrierte sich die Masse auf Punkte in Zamorras unmittelbarer Nähe. Merlins Stern hielt seine Aktivitäten fast drei Minuten aufrecht, dann erlosch der Energiefluss urplötzlich.
    »Chéri«, rief Nicole, und es hallte unnatürlich zwischen den Rundbogensäulen, die das Gewölbe trugen, »ist alles in Ordnung? Was passiert bei dir? Machst du so 'ne Art Disco oder was?«
    »Bleibt, wo ihr seid«, gab Zamorra zurück. »Ich komme gleich. Einen Moment noch.« Einer Eingebung folgend ging er auch noch den Rest der Gruft ab. Tatsächlich verschoss das Amulett weitere sieben Lichtlanzen, ohne ihm allerdings noch einmal den grünen Schutz zu gewähren.
    Der Meister des Übersinnlichen hob Merlins Stern vor sein Gesicht und schüttelte ihn an der Kette. »He, du vergammeltes Amulettbewusstsein, kannst du mich hören? Sag mir sofort, was hier vorgeht. Sonst kommst du umgehend in die Schrottpresse. Und das ist keine leere Drohung. Verstanden?«
    Während Taran dem Professor früher schon mal auf telepathischem Weg geantwortet hatte, blieb er neuerdings stumm.
    »Na gut. Vielleicht überzeugt dich ja ein Säurebad?«
    Nichts passierte. Zamorra ging durch die Gruft zu den Wartenden zurück. Niemand konnte sich einen Reim auf die geheimnisvollen Angriffe machen.
    ***
    28. Januar 1679, Hofburg Wien:
    Der Augustiner-Barfüßer Abraham a Sancta Clara und der Zisterzienser Franziskus erbaten sich eine Audienz bei der Kaiserin. Sie machten es dringend und bekamen sie fast umgehend.
    Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena Gonzaga von Mantua-Nevers empfing die beiden Mönche in ihrem privaten Audienzraum. Die 48-jährige Frau war von herber Schönheit, beeindruckte die Männer aber viel mehr durch ihre hohe Intelligenz, Bildung und Schlagfertigkeit. Charmant war sie überdies. Momentan stand sie bewegungslos am Fenster, gekleidet in einen weiten, schwarzen Reifrock mit Lilienmuster, der sie wie ein Fass mit Korken wirken ließ. Sie sah hinaus in das dichte Schneetreiben. Als die Männer eintraten, drehte sie sich in angemessener, würdevoller Gemächlichkeit um. Der Kaiserin Gesicht war hinter dem mächtigen, weißen Rüschenkragen kaum zu erkennen. Die Männer erahnten ihr feines Lächeln mehr als dass sie es sahen.
    »Ah, die beiden geistlichen Herrn sind wieder zurück. Wohlbehalten, wie Wir zu Unserer großen Freude sehen. Wir hoffen, dass ihr gute Nachricht bringt. Nehmt bitte Platz.«
    Eleonora deutete
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