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0867 - Die Pesthexe von Wien

0867 - Die Pesthexe von Wien

Titel: 0867 - Die Pesthexe von Wien
Autoren: Christian Schwarz
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schweren Krankheitsverlauf zu rechtfertigen.« Sinnend musterte der ältere Mann die hübsche Ärztin, während er sich über seinen grauen Kinnbart strich. »Immerhin kann es sich um einen neuen, noch nicht bekannten Bakterienstamm der Yersina Pestis handeln, der wesentlich aggressiver ist als alles, was wir bisher kennen. Das müssen wir dringend klären.«
    Fast ängstlich musterte Geraldine Hadlburger den Professor. »Und sonst ist Ihnen nichts aufgefallen?«
    »Warum? Was sollte mir denn aufgefallen sein?«
    »Ach, nichts. Es war nur so… so eine Frage.« Sie schluckte und senkte ein wenig den Kopf.
    Sie hat es also auch gesehen , dachte Mutzik. Er kämpfte die aufkommende Panik eisern nieder. Bisher hatte er es nämlich noch auf eine Art übersteigerte Fantasie infolge starker Überarbeitung schieben können. Aber nun nicht mehr. Ihm war nämlich völlig klar, worauf sie anspielte.
    Unglaublich!
    Trotzdem oder gerade deswegen würde er nicht mit ihr darüber reden. Wahrscheinlich unterlagen sie beide einer milden Form der Massenhalluzination. Eine andere Erklärung fand er nicht.
    »Kommen Sie, verehrte Kollegin, wir schauen uns den Patienten an. Ich muss die Symptome noch einmal in Augenschein nehmen.«
    Sie gingen zur Quarantänestation und zwängten sich in die Schutzanzüge. Im hintersten Zimmer lag, strengstens abgeschirmt, ein junger, muskulöser Japaner im Bett. Soeben trat Schwester Maria Baumgart aus dem weißen, sterilen Raum.
    »Gibt es Veränderungen, Schwester?«
    Die ältere, ziemlich dicke Frau schüttelte den Kopf. »Nein, Herr Professor. Sein Zustand hat sich stabilisiert.«
    »Keine Besserung?« Mutzik blickte die Schwester misstrauisch an.
    »Wie ich schon sagte, Herr Professor. Stabiler Zustand. Das bedeutet: keine Besserung.«
    »Ich weiß, was das bedeutet, Schwester Maria«, fuhr er sie an. »Haben Sie meine Anweisungen bezüglich der Antibiotika-Therapie auch wirklich genau befolgt?«
    Sie sah ihn furchtlos an. Ihre Augen funkelten kampflustig. »Natürlich, Herr Professor. Wir würden es niemals wagen, uns über Ihre Anweisungen hinwegzusetzen. Sie wissen schließlich am besten, was zu tun ist.« Die blanke Ironie sprach nun aus ihren Worten, schließlich hatte sich Mutzik in letzter Zeit die eine oder andere fachliche Blöße gegeben. »Wir haben ihn voller Antibiotika gepumpt. Tetracycline, Streptomycin, Chloramphenicol. Kombinationstherapie genau nach Plan. Er spricht trotzdem nicht darauf an.«
    »Hm. Danke, Schwester Maria.«
    »Oh, bitte. Ach ja, da wäre noch etwas, Herr Professor. Etwas, nun… hm… Merkwürdiges.«
    »Ja?« Eigentlich wollte er es gar nicht hören. Er hatte von Merkwürdigkeiten die Nase voll.
    »Wir haben die drei Bubos in seinen Leisten geöffnet und den Eiter abfließen lassen. Aber schauen Sie es sich am besten selbst an. Sie sind die Kapazität. Und nun entschuldigen Sie mich. Die Arbeit macht sich nicht von alleine.« Sie drehte sich um und rauschte davon.
    »Die Schwestern werden heutzutage auch immer unverschämter«, empörte sich Geraldine Hadlburger. »Die glauben, sie hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen. Dabei haben wir studiert. Nicht die.«
    Professor Mutzik zog es vor, nichts darauf zu erwidern. Er wusste nur zu gut, was er an seinen Schwestern hatte. Die beiden Ärzte betraten das Zimmer. Der Japaner lag schon seit vielen Stunden ohne Bewusstsein im Bett. Hohes Fieber und starker Schüttelfrost plagten ihn. Er bewegte sich unruhig, bäumte sich hin und wieder kurz auf und rollte die Augäpfel unter den geschlossenen Lidern stark hin und her, was auf ausgeprägte Albträume schließen ließ. Zudem brabbelte er unverständliches Zeug. Trotzdem glaubte der Professor immer wieder das Wort »Hina« herauszuhören und etwas, das wie »Nekiko« klang.
    Sie traten an das Bett. Mutzik schlug die Decke zurück. Der Japaner lag mit nacktem Oberkörper da. Seine rechte Hand umklammerte noch immer diese seltsame rote Porzellankatze mit der winkenden Pfote. Darüber hinaus bot er einen fürchterlichen Anblick. Seine Haut war über und über mit blau-schwarz schimmernden Stellen überzogen. Der Professor hob den linken Arm an, dann den rechten. Orangendicke, unversehrte, tiefschwarz verfärbte Beulen saßen darunter, die sogenannten Bubos.
    »Sie sind wieder nachgewachsen«, flüsterte der Professor verstört. Er spürte, wie sich seine Nackenhärchen aufrichteten. »Und so schnell. Wie ist das nur möglich?«
    Auch Dr. Hadlburger war ratlos. »Haben
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