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0867 - Die Pesthexe von Wien

0867 - Die Pesthexe von Wien

Titel: 0867 - Die Pesthexe von Wien
Autoren: Christian Schwarz
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auf einen schweren Nierentisch, der auf goldüberzogenen S-förmigen Beinen stand und um den sich drei hoch gepolsterte Stühle gruppierten. »Darf ich euch eine Tasse Tee anbieten?«
    »Danke, Kaiserliche Hoheit. Es ist beißend kalt draußen, da nehmen wir mit großem Dank an«, erwiderte Abraham a Sancta Clara. Als sie kurz darauf vor dampfenden Teetassen saßen, rückte der Augustiner mit der Wahrheit heraus.
    »Wir bringen einerseits gute Nachrichten, Kaiserliche Hoheit. Die Hex Gräfin Theresia Maria von Waldstein ist nach hartem Kampf besiegt, ihr toter Körper ruht auf einem Schindanger außerhalb der Stadtmauern.« Er räusperte sich ein wenig und führte die feine Porzellantasse nur halb zum Mund, eindeutig eine Geste großer Verlegenheit. »Die betrübliche Nachricht ist, Kaiserliche Hoheit, dass wir dabei um die heilige Kreuzpartikel gekommen sind. Das wunderbare Stück aus dem Kreuze Christi verschmolz förmlich mit dem Skelett der Hex und ließ sich nicht mehr aus deren Rippen lösen. Unverrückbar für alle Zeiten sitzt es darin fest, um der furchtbaren Teufelsbuhle keinerlei Rückkehr mehr zu ermöglichen.«
    Sinnend sah die Kaiserin-Witwe vor sich hin. »In der Tat eine betrübliche Nachricht«, sagte sie dann. »Aber es erscheint Uns, als sei dies Christi fester Wille, dass die böse Hex für alle Zeiten an der heiligen Kreuzpartikel hängt. Nun, so sei es. Allerdings ist die heilige Kreuzpartikel einer der wertvollsten Schätze des Hauses Habsburg. Wir bekommen große Probleme, wenn der Kaiser erfährt, dass Wir euch dieses Kleinod überlassen haben, egal, wie gerechtfertigt der Zweck auch immer sein mag.«
    Die Mönche nickten mitfühlend. Es war ein offenes Geheimnis bei Hof, dass Kaiserin-Witwe Eleonora und Kaiser Leopold wie Hund und Katz zueinander standen. Leopold war ein Sohn Ferdinands III. mit dessen zweiter Frau Maria Anna, während Eleonora Ferdinands dritte Frau gewesen war. Leopold, der eigentlich eine geistliche Laufbahn einschlagen sollte, war 1657 nach dem Tode Ferdinands eher versehentlich auf den Kaiserthron gekommen, da sein älterer Bruder schon vor Jahren das Zeitliche gesegnet hatte. Seither widmete sich der Literat, Wissenschaftler, Komponist und leidenschaftliche Musiker vorwiegend den schönen Künsten und überließ die Staatsgeschäfte erfahrenen Beratern wie den Fürsten Auersperg und Lobkowicz, sehr zum Missfallen der Kaiserin-Witwe Eleonora. Um den ständigen Auseinandersetzungen mit dem ungeliebten Leopold zu entgehen, hatte sie sich weitgehend ins Jagdschloss Schönbrunn zurückgezogen. Über die Weihnachtszeit und das neue Jahr pflegte sie aber alljährlich in der Hofburg zu weilen.
    »Nun, Wir müssen zusehen, dass der Kaiser nichts von dem herben Verlust erfährt«, dachte Eleonora laut weiter.
    »Ergo werden Wir eben noch etwas länger in Wien bleiben müssen, um den besten Juwelier der Stadt in aller Heimlichkeit mit einer Kopie zu beauftragen. Wir denken, dass der Nebehay im Graben der Richtige dafür wäre.«
    »Eine gute Wahl, Kaiserliche Hoheit.« Die Mönche nickten beifällig.
    »Da ist noch etwas, ihr geistlichen Herrn. Unser dringender Wunsch wäre, dass der Leichnam der bösen Hex nicht irgendwo auf dem Schindanger vor den Toren der Stadt bleibt. Wir würden Uns wohler fühlen, wenn besagte Leich den Schächten von St. Stephan anvertraut wäre, auf dass zur Kreuzpartikel auch noch die heilige Mutter Kirche über sie wache. Würden die Herrn das für Uns erledigen?«
    Abraham a Sancta Clara stand der Schrecken ins Gesicht geschrieben. Franziskus erging es nicht besser. Trotzdem sagten die beiden zu. Der Kaiserin schlug man keinen Wunsch ab.
    ***
    Gegenwart:
    Chefarzt Professor Dr. Hermann Mutzik schaute vom Mikroskop auf und schüttelte verstört den Kopf.
    »Und, Herr Professor?« Oberärztin Geraldine Hadlburger sah ihren Chef erwartungs- und gleichzeitig ehrfurchtsvoll an. Wie immer erwartete sie von ihm die Lösung aller Probleme, da sie in ihm eine Art Wundermann sah.
    Fähig war Mutzik zweifellos, er gehörte sogar zu den weltweit geachteten Kapazitäten auf dem Gebiet der Immunologie, aber momentan stieß der Leiter des immunologischen Instituts der Universitätsklinik Wien deutlich an seine Grenzen. »Ich kann mir darauf so wenig einen Keim machen wie Sie, verehrte Kollegin«, antwortete er mit seiner tiefen, angenehmen Stimme. »Sie haben ganz eindeutig recht, wenn Sie sagen, dass viel zu wenig Pestbakterien vorhanden sind, um einen derart
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