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0861 - Gefangene der Namenlosen

0861 - Gefangene der Namenlosen

Titel: 0861 - Gefangene der Namenlosen
Autoren: Jason Dark
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gewußt, daß er etwas hinterlassen mußte, damit er nicht in Vergessenheit geriet. Er hat sich eine Frau gesucht, er hat mit ihr zwei Kinder gezeugt – uns. Und diese Frau, unsere Mutter Naomi, lebt noch. Wir haben es versucht und es geschafft. Es gibt zwischen ihr und uns einen Kontakt. Sie sind dabei, sie zu lieben, und wir werden sie später auch so lieben, wie wir es mit unserem Vater getan haben. Später, wenn alles vorbei ist.«
    Carla hatte zugehört. Allerdings war es ihr nicht möglich gewesen, alles zu begreifen. Nur hatte sie in gewisser Hinsicht das Glück, ein Kind zu sein. In ihrem Innern hatte sich ein Abwehrmechanismus eingeschaltet, der sie glauben ließ, sich nicht in einer unbedingten Lebensgefahr zu befinden. Möglicherweise rührte daher auch ihr praktisches Denken, und aus diesem wiederum resultierte ihre Frage.
    »Bitte… wo … wo kommt ihr her?«
    »Wir leben bei ihnen, den Nonnen, aber wir haben nicht nur sie als Helfer gehabt. Wir können überall sein, wenn wir wollen, denn aus einer anderen Welt tauchten plötzlich Beschützer auf, den die normalen Menschen als Nebel sehen. Tatsächlich aber sind es dämonische Geister, denn auch wir haben unsere Schutzengel. Das verdanken wir ebenfalls unserem Vater Josephiel und deshalb sind wir ihm auch für alle Zeiten dankbar. Wir werden ihn nie vergessen, und wir haben ihm versprochen, in seinem Sinne zu handeln. Darauf können sich alle verlassen. Hier werden wir unser Reich aufbauen, von hier nehmen wir Kontakt zu den Menschen auf, und genau hier liegt unser Todfeind.«
    Sie schauten auf die staubige reglose Gestalt des Geisterjägers, aber sie berührten sie nicht. Sie trafen überhaupt keine Anstalten, ihn zu schlagen oder zu treten, irgend etwas mußte er an sich haben, was sie noch davon abhielt.
    »Wie heißt du?«
    »Carla.«
    »Möchtest du am Leben bleiben?«
    Sie nickte.
    »Kennst du ihn gut?«
    »Weiß nicht.«
    »Seinen Namen, nicht?«
    »Das schon.«
    »Wenn du am Leben bleiben willst, dann wirst du uns helfen müssen, Carla.«
    Sie überlegte. Aber sie kam nicht darauf, was die beiden von ihr wollten. Auf keinen Fall würde sie etwas tun, was ihren neuen Freund in den Tod trieb.
    »Was muß ich denn tun?«
    Die beiden lachten synchron. So hatten sie es haben wollen, und sie waren sich ihrer Sache auch sicher. »Bevor wir ihn zerreißen, mußt du ihm etwas abnehmen.«
    »Was denn?«
    »Er trägt ein Kreuz bei sich, das wir nicht mögen. In ihm sind die Zeichen der Engel eingeritzt worden, aber es sind auch Zeichen, die unser Vater nicht mehr wollte. Es sind welche aus seiner Welt gewesen, die er verlassen hat. Er haßt das Kreuz, er mag es nicht mehr, und wir mögen es auch nicht, wenn wir so werden wollen wie unser Vater – oder es schon längst sind.«
    Carla war irritiert. Sie kam damit nicht mehr zurecht. Das überstieg für einen Moment ihr Begriffsvermögen, und die Zwillinge merkten, wie sie mit sich kämpfte.
    »Was ist? Wolltest du uns nicht helfen?«
    »Ich kenne es nicht.«
    »Das Kreuz?«
    »Ja.«
    »Keine Sorge, er trägt es bei sich. Es gehört zu ihm wie der Teufel zur Hölle. Du brauchst nicht einmal lange zu suchen. Wahrscheinlich baumelt es vor seiner Brust.«
    Carla nickte. »Und dann? Was soll ich tun, wenn ich es gefunden habe? Könnt ihr mir das sagen?«
    »Du wirst es weit, sehr weit wegwerfen. Wir möchten es nicht sehen. Wir wollen auch nicht daran erinnert werden. Wenn du es getan hast, stehst du auf unserer Seite.« Der Sprecher, es war der rechte Zwilling, ging vor und faßte Carla an. »Wenn du es nicht tust, dann bist du verloren.« Er setzte zu einer Demonstration der Stärke an.
    Bevor Carla wußte, was mit ihr geschah, hatte er sie mit einer Hand in die Höhe gehoben, streckte den Arm und schwang ihn dann noch einmal hoch und auch zurück, als wollte er das Mädchen kurzerhand in einer der Schluchten schleudern.
    Sie schrie nicht einmal. Ihre Kehle saß zu, und der Magen revoltierte. Wenn sie den Mund öffnete, kriegte sie kaum noch Luft, und alles drehte sich vor ihren Augen. Ihre Schulter schmerzte, wo die Finger sie hielten, dann wurde sie wieder auf den Boden gestellt, und schaute in das kalt grinsende und zur Fratze gewordene Gesicht des kleineren Jungen.
    »Weißt du jetzt Bescheid?«
    »Ja.«
    »Dann bück dich und nimm das Kreuz an dich.«
    Carla mußte tief einatmen. Sie wollte Kraft tanken, sie wollte eigentlich alles tun, aber sie schaffte es nicht, auch nur darüber nachzudenken. Die
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