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0861 - Gefangene der Namenlosen

0861 - Gefangene der Namenlosen

Titel: 0861 - Gefangene der Namenlosen
Autoren: Jason Dark
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dich«, flüsterte ich zurück.
    Sie mußte mich verstanden haben, wollte es aber nicht zugeben.
    »Ich soll wirklich aus dem Fenster…?«
    »Es wird für dich reichen. Nicht für mich. Ich bin leider etwas zu breit.«
    »Aber dann bist du allein, John.«
    »Das weiß ich doch. Es ist mir auch lieb so.«
    »Du hast Angst um mich, wie?« fragte sie.
    Es hatte keinen Sinn, lange zu diskutieren. Ich faßte Carla an beiden Schultern an und drehte sie dem Fenster zu. »Klettere hindurch, und dann lauf weg.«
    »Klar, John, wie du meinst.«
    Mir dauerte es zu lange. Ich hatte längst das Gefühl, in einer Falle zu hocken. Wenn ja, dann würde eine Flucht aus dem Fenster auch nicht gelingen, das hatten die Zwillinge möglicherweise einkalkuliert. So klein sie auch waren, sie handelten jedoch kalt und gnadenlos, und sie lernten sicherlich jeden Tag dazu.
    Das Fenster war klein, lag zum Hang hin, und Carla faßte nach dem Griff, um es aufzuhebein. Sie berührte das Metall bereits, als sich die Scheibe verdunkelte und das Mädchen vor Schreck einen leisen Schrei ausstieß.
    Ich hatte nicht zu Carla hingeschaut und die Tür unter Kontrolle gehalten. Der Schrei allerdings ließ mich herumfahren, genau in dem Augenblick, als Carla zurückwich.
    Da sah auch ich das Gesicht hinter der Scheibe. Es war einer der Zwillinge. Der Junge hockte mit vorgestreckten Armen am Hang.
    Er stützte sich mit seinen Händen ab. In dieser Haltung kam er mir vor wie ein sprungbereiter Affe. Das Gesicht war zu einem häßlichen Grinsen verzogen, böse Augen starrten gegen die zurückweichende Carla, und auch ich konnte meine Überraschung nicht verbergen.
    Als ich die Zwillinge am Friedhof gesehen hatte, da waren sie mir viel kleiner vorgekommen.
    »John, das ist er…«
    Das Jammern des Mädchens gab mir einen Stich. Und der Junge grinste breit, wobei er noch die Zunge vorstreckte, als wollte er von außen die Scheibe ablecken.
    Ich war versucht, meine Waffe zu ziehen, um in das Gesicht zu schießen, ich ließ sie stecken. Ich wollte auf keinen Fall etwas provozieren. Möglicherweise brachte ich durch eine derartige Tat Carla in eine nur noch größere Gefahr.
    »John, was soll ich denn tun?«
    Ich wußte es nicht. Es stand nur fest, daß der Fluchtweg durch das Fenster versperrt war.
    Der Zwilling zog sich zurück. Er huschte zur Seite. Kleine Steine hatten sich bei seiner Bewegung gelöst. Sie rollten den Hang hinab und tickten gegen die Scheibe.
    »Ob der zweite schon im Haus ist?« Carla hatte es gefragt, und ich mußte ihr eine gute Logik zugestehen. Kinder sehen gewisse Dinge oftmals realistischer. Sie machen sich auch keine Gedanken darüber, wie gefährlich die sind, sie hielten sie einfach fest.
    »Das ist möglich.«
    »Wir haben doch das Lachen gehört.«
    Ich nickte. Natürlich mußten wir weg. Dieses Haus war zu einer Falle geworden. Wenn sie zuschnappte, konnten wir beide leicht unser Leben verlieren.
    Was würden die Zwillinge tun? Noch hatten sie es nicht mit einem direkten Angriff versucht. Möglicherweise lag es an mir und an meinem Kreuz. Das hatte schließlich mitgeholfen, ihren Vater zu vernichten. Bestimmt wußten sie davon, denn er mußte sie mit Informationen versorgt haben, als er noch lebte.
    Hilfe konnten wir nicht erwarten. Wer sollte uns auch zur Seite stehen? Die Menschen aus dem Ort bestimmt nicht, sie fürchteten sich ebenfalls vor dieser grauenhaften Legende. Wenn die Zwillinge es wollten, konnten sie das Dorf zertrümmern, die Kräfte dazu besaßen sie. Das hatten sie auch auf dem Friedhof bewiesen.
    Carlas Furcht hielt sich in Grenzen. Sie versuchte es sogar mit einem Lächeln, als sie mich anschaute und feststellte: »Jetzt sitzen wir aber ganz schön in der Tinte, John.«
    »Da hast du recht.«
    »Und wie kommen wir da wieder raus?«
    Das wußte ich auch nicht genau. Ich gab ihr eine indirekte Antwort. »Wir müßten eigentlich den zweiten suchen. Willst du mir denn helfen?«
    »Klar.«
    »Dann bleib du hier, Carla. Behalte das Fenster im Auge. Ich werde vorn einmal nachschauen, ob einer der Jungen den Bereich der Tür unter Kontrolle hält.«
    »Tu das.«
    Ich schlich aus dem Raum. In der Wohnküche jenseits des schmalen Flurs war es still. Da tickte nicht mal eine Uhr. Ich mußte auch wieder an die tote Serafina denken. Sicherheitshalber bewegte ich mich dicht an der Wand entlang, hielt dabei die Fenster im Auge, entdeckte hinter den Scheiben aber keine Bewegung. Niemand kam und lugte ins Haus. Wie ich das
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