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081 - Hexentanz

081 - Hexentanz

Titel: 081 - Hexentanz
Autoren: Frank deLorca
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Haarschopf verdeckt wurde.
    Der Angestellte trug einen braunen Cordanzug. Er hinkte. Das rechte Bein schien steif, möglicherweise eine Prothese. Bernsteingelbe Augen in einem grobschlächtigen Gesicht musterten mich mit einer Spur von Schadenfreude, wie ich mir einbildete.
    Der Kerl nahm seinen Auftrag entgegen, brachte der alten Dame stumm die Flasche und verschwand grußlos. Er bedeutete nicht gerade eine Empfehlung für das Hotel.
    »Ein Kriegskamerad meines verstorbenen Mannes«, erklärte die alte Dame. Ich hatte ihren Namen inzwischen auf der Getränkekarte entdeckt. Sie hieß Claire Clouet.
    Die Einsamkeit im weitläufigen Schankraum, der mehr als fünfzig Menschen bequem Platz geboten hätte, bedrückte mich.
    Ich schnappte daher meine Flasche und murmelte, ich würde sie auf meinem Zimmer trinken. Ich hätte noch zu arbeiten.
    Die alte Dame nickte huldvoll. Kein Muskel zuckte in dem stark gepuderten Gesicht, das früher einmal schön gewesen sein mußte und jetzt nichts mehr darstellte als ein Mahnmal menschlicher Vergänglichkeit.
    Ich stieg die Treppe hinauf.
    Auf halbem Wege nach dem ersten Absatz, erkannte ich über mir das Gesicht Frankensteins. Der riesige Kerl beugte sich über das Geländer und beobachtete mich. Hohn verzerrte seine Fratze. Ich spürte seinen Blick fast körperlich und schaute hoch. Da verschwand der Kopf wie weggewischt. Irgendwo klappte eine Tür. Ich war wieder allein...
    ***
    Der folgende Tag zeigte mir das Städtchen in seiner ganzen Schönheit. Ich wanderte erst am linken, dann am rechten Ufer der Semois entlang. Es gab zwei Steinbrücken. Eine lag vor dem Eingang meines Hotels, – auf gleicher Höhe mit der beherrschenden Bergfeste, die einst die wichtige Verbindungsstraße zwischen Eifel und Champagne kontrolliert hatte.
    Die Tatsache, daß ich die erste Nacht ohne Störung verbracht hatte, machte mich leichtsinnig. Jetzt, im hellen Licht der Oktobersonne, erschienen mir alle Befürchtungen lächerlich. Ich fühlte mich frisch, ausgeruht und unternehmungslustig. Ja, ich begrüßte sogar die unfreiwillige Unterbrechung meiner Studienreise. Ich erwarb auf meinen Weg die obligaten Reiseandenken und eine Schachtel Gitanes, kurze Zigaretten mit braunem Papier aus Maisstroh. Für einen mäßigen Raucher wie mich mochten sie bekömmlich sein. Trotz des starken schwarzen Tabaks.
    Der Ladenbesitzer, der mich bediente, schien gewaltig mit sich zu kämpfen. Er wollte mir wohl Fragen stellen, die er aber für zu aufdringlich hielt. Schließlich verabschiedete er mich mit einem Ausdruck des Bedauerns auf seinem roten, gesunden Gesicht, der mich ziemlich verunsicherte. So schaute man einen Todgeweihten an, einen unheilbar Kranken, dessen Tage gezählt sind.
    Gegenüber meinem Hotel, auf der anderen Seite des Flusses, vor dem Tunnel, der zur Burg hinaufführte, bemerkte ich ein junges Mädchen in einem hellen Spitzenkleid. Die Kleine mochte etwa zwanzig Jahre alt sein. Sie war wohl proportioniert und trug die blonden Haare schulterlang. Sie schaute mich verstohlen an und ich blühte auf unter ihrem sichtlichen Interesse an meiner Person, etwas, was sich jeder Junggeselle ständig wünscht.
    Ich beschloß, die Gunst der Stunde auszunutzen und fragte die Kleine nach dem kürzesten Weg zur Bergfeste. Das war sicher nicht besonders originell, aber die Tätigkeit in einem britischen Knabeninternat erhöht nicht gerade die Fähigkeit, Kontakte mit der holden Weiblichkeit anzuknüpfen.
    Die Kleine schenkte mir ein reizendes Lächeln, durchschaute sicher meine Kriegslist, ging aber darauf ein. Sie erklärte mit lebhaften Gesten, wie ich am schnellsten und sichersten die Burg Gottfrieds des Kreuzritters, erreichen könne.
    Da wagte ich, sie zu bitten, mich zu begleiten, da sie die wirklichen Sehenswürdigkeiten der Festung wohl als Einheimische besser kenne als ich.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Mein Vater würde mich verprügeln«, sagte sie auf eine Art, die verriet, daß es nicht allzu häufig vorkam. Wahrscheinlich wickelte sie ihren alten Herrn ohnehin um den Finger.
    Ich lud sie zu einer Tasse Kaffee ein.
    Diesmal hatte ich mehr Glück.
    Sie führte mich zu ›Chez Roby‹, einem Bistro, von dessen verglastem Vorraum man die Angler am Fluß beobachten konnte, die Spaziergänger und mein Hotel, das still und verlassen an einer scharfen Kehre der Straße lag, ein merkwürdig verschachteltes Gebäude von einem undefinierbaren Baustil und einem häßlichen fahlen Gelb.
    Ich bestellte zwei
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