Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
081 - Hexentanz

081 - Hexentanz

Titel: 081 - Hexentanz
Autoren: Frank deLorca
Vom Netzwerk:
aussehen.
    Ich schloß die Tür. Dabei stellte ich fest, daß der Riegel nicht funktionierte. Nun, so etwas kannte ich bereits aus französischen Unterkünften in Paris. Schließlich erlaubten mir meine Bezüge als Lehrer nicht gerade, im Hotel Ritz zu nächtigen. Ich hatte also meine Erfahrungen. Ich konnte notfalls einen Stuhl so stellen, daß seine Lehne die Türklinke blockierte. Und da ich im zweiten Stock untergebracht war, drohte vom Fenster keine Gefahr. Da hätte es wohl kaum einer Mandragora bedurft.
    Immerhin trat ich näher und betrachtete die runzelige Pflanzenwurzel, die an einem Nylonfaden baumelte und leise hin- und herschwang.
    Ich kannte wohl die schmerzstillende Wirkung der in Wein gekochten Rinde, aber an die magische Kraft zur Abwehr böser Geister und Dämonen mochte ich nicht glauben.
    Ich erinnerte mich an eine Geschichte meiner Urgroßmutter, die Kräuter gesammelt und Rezepte überliefert hatte, die ich auf dem Dachboden in einem Weidenkorb gefunden hatte.
    Danach stammte die Mandragora aus verfluchtem Boden. Sie wuchs nur unter Galgen. Man erntete sie, indem man sie an den Schwanz eines schwarzen Hundes band, natürlich bei Vollmond. Sobald das Tier die Alraune aus dem Boden reiße, stoße die Pflanze einen gräßlichen Schrei aus und der Hund falle tot um. Die Alraunengräber selbst hatten sich wohlweislich die Ohren mit Wachs verstopft, um das Geschrei der Wurzel zu überleben.
    Ich kämpfte bereits mit der Versuchung, mir dieses originelle Souvenir anzueignen, verschob den Plan aber auf den letzten Tag, um mich nicht zu verraten und unangenehm aufzufallen. Möglicherweise maß die alte Dame der Mandragora ganz andere Wirkungen bei als ich.
    Ich probierte das Bett und fand es genügend bequem.
    Schnell packte ich meine Sachen aus und verstaute sie in dem wurmstichigen Schrank. Ich war rechtschaffen müde. Das ständige Rauschen der Semois wirkte beruhigend und einschläfernd.
    Auf einem runden Tisch lag das Anmeldeformular.
    Sorgfältig beantwortete ich die Fragen nach Woher und Wohin, suchte meine Ausweisnummer heraus und malte in Druckbuchstaben meinen Namen: Elger Douglas, Beruf: Lehrer, Staatsangehörigkeit: britisch, Geburtsort: Stratford on Avon. Vermutlich das einzige, was ich mit Shakespeare gemeinsam habe.
    Ich widerstand der Versuchung, längst fällige Kartengrüße in die Heimat zu schicken. Was mich dennoch zwang, mein Zimmer noch einmal zu verlassen, war der Durst. In dieser Luft trocknete die Kehle besonders schnell aus. Ich fand keine Möglichkeit, die Zentralheizung niedriger zu schalten und öffnete daher die Balkontür.
    Die Aussicht war in der Tat ungewöhnlich.
    Mein Blick schweifte über bewaldete Höhen beiderseits des Flusses. Im rechten Teil des Panoramas erkannte ich einen Flügel des berühmten Bauwerks, das Bouillon beherrscht: die Feste Gottfrieds, des Kreuzritters.
    Um dunkle Torbögen flatterten wie Schemen große Vögel, ausgeleuchtet von gelblichen Lampen, deren Zahl nicht ausreichte. Ich klassifizierte die Tiere nach längerem Betrachten nicht als Dohlen oder Krähen, sondern als harmlose Taubenschwärme, die wohl durch irgendwelche späten Spaziergänger aufgescheucht worden waren.
    Ich genoß die frische Luft.
    Dann rechnete ich mir aus, daß mein Geld noch für einen gehörigen Schluck reichte und stieg hinunter in den Schankraum. Dort brannten mittlerweile zwei der sechs Leuchter, die aus Hirschgeweihen gefertigt waren.
    An der Tür hing das obligate Schild:
    ›Complet‹, ein Signal, daß man in diesem Haus vergeblich um Herberge bitten würde. Das schien mir angesichts der Tatsache, daß ich der einzige Gast war, ein wenig kühn. Möglicherweise war die alte Dame nicht mehr ganz richtig im Kopf?
    Das Hotel de la Semois hielt eine weitere Überraschung für mich bereit. Die alte Dame brachte mir die Getränkekarte. Ich war es bereits gewohnt, daß in den Etablissements Frankreichs und Belgiens die Betten vorsintflutlich, die Räume dürftig und die Bedienung langweilig waren – die Getränke aber stets ausgezeichnet. Daher wunderte es mich nicht, daß ich einen Rose d’Anjou entdeckte und sogar einen Gewürztraminer zu erschwinglichem Preis. Aber der Bursche, der die gewünschte Flasche aus dem Keller holte, gab mir zu denken.
    Ich schätzte den Mann auf etwa fünfzig Jahre. Er trug, die grauen Haare kurzgeschnitten und erinnerte, mich an Frankenstein, zumal um seine Schädeldecke ein roter Streifen lief, der nur notdürftig durch den künstlichen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher