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081 - Hexentanz

081 - Hexentanz

Titel: 081 - Hexentanz
Autoren: Frank deLorca
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trug die gleiche Kleidung und sogar die gleiche, sorgfältig gekämmte Perücke.
    »Wie gefällt Ihnen Bouillon, mein Herr?« fragte mich die alte Dame, als ich ein Bier bestellte.
    Sie zapfte mit ruhiger Hand, während ihre blauen Augen mich über die schweren Tränensäcke fixierten.
    »Ein herrlicher Ort. Etwas für jemanden, der einen ruhigen Urlaub verbringen will«, trieb ich die Sache auf die Spitze.
    Die alte Dame schien erfreut wie jeder, dessen Heimatort gelobt wird, aber gleichzeitig drückte ihr Gesicht etwas aus, das mich stutzig machte und erschreckte.
    »Sie leben nicht gerne hier?« hakte ich nach.
    »Doch«, seufzte die Wirtin.
    »Es gibt einen Vorbehalt?« bohrte ich weiter.
    »Sie können nicht lügen, Monsieur«, sagte die alte Dame. »Sie haben bereits davon gehört, nicht wahr?«
    »Ich gebe nichts auf Gerüchte«, wich ich aus. Sollte sie doch den Anfang machen. Sie wußte mehr als ich.
    »In diesem Fall sollten Sie das aber«, meinte Madame Clouet. »Denn es stimmt. Morgen wird Armand sterben – wenn nicht ein Wunder geschieht.«
    »Sie können es nicht verhindern?«
    Die alte Dame brachte mir das Bier und setzte sich zu mir, nachdem sie mich um Erlaubnis gebeten hatte. Meine Aufmerksamkeit schien ihr wohl zu tun. Demnach konnte sie nicht so gefährlich sein, wie ich zunächst angenommen hatte. Oder wollte sie mich jetzt einwickeln?
    »Was würden Sie mir raten?« begann Madame Clouet. »Ich weiß, daß Armand, mein einziges Kind, morgen nacht Selbstmord begehen wird. Und ich habe genug gebetet. Es hat schon bei meinem Mann nichts genutzt. Ich habe es versucht. Aber es hat nicht geholfen. An seinem dreißigsten Geburtstag, einem Donnerstag, der gleichzeitig unser fünfter Hochzeitstag war, ging er nach oben in das schwarze Zimmer am Ende des Korridors, entgegengesetzt Ihrem Raum Monsieur. Er machte es wie sein Vater. Er schloß sich ein und schoß sich eine Kugel in den Kopf. Und ich habe von außen an die Tür gehämmert. Ich habe die ganze Zeit gebettelt und geweint, geschrien und geklagt. Es war, als existierte ich überhaupt nicht. Und ich darf wohl sagen, daß mein Mann mich wirklich liebte. Selbst ich konnte ihn aber nicht von dem Fluch befreien.«
    Die alte Dame schluckte ein paarmal. Ihr Hals war faltig. Sie ließ die Schultern hängen.
    Ich bemerkte ein Amulett an ihrem Hals, eine ägyptische Abraxasgemme, die mit unleserlichen Schriftlichen bedeckt war. Das paßte zu der Alraune am Fensterkreuz meines Zimmers. Versuchte sie es jetzt auf diese Art?
    »Wenn auch Armand umkommt, erlischt das Geschlecht der Clouets« fuhr die alte Dame fort. Ihre Stimme klang brüchig. Sie war zutiefst verzweifelt. »Ich bin mein schreckliche-Erlebnis nie losgeworden. Noch heute träume ich von der Nacht vor dem Zimmer, in dem sich mein Mann erschoß. Ich habe Armand sehr bald reinen Wein eingeschenkt. Sie glauben nicht, wie spontan er reagierte und wie vernünftig. Er enthielt sich jeder Beziehung zum anderen Geschlecht. Er wollte keine Frau unglücklich machen. Er wollte keinen Sohn in die Welt setzen, der nicht älter werden durfte, als gerade dreißig Jahre, das Alter, das auch Pierre Clouet erreichte, dem wir alles verdanken.«
    »Was verdanken Sie ihm?«
    »Den Fluch«, flüsterte Madame Clouet. »Pierre hatte Gottfried von Bouillon auf dem ersten Kreuzzug ins Heilige Land begleitet, kehrte aber sehr bald zurück. Er brachte außer einem unermeßlichen Tempelschatz auch eine dunkelhäutige Frau mit, vermutlich seine Geliebte. Offiziell arbeitete sie als Magd in der Herberge, die sich Pierre kaufte. Eines Tages entschloß er sich zu heiraten und Kinder zu zeugen. Die Orientalin störte. Das ist eine Vermutung von mir. Denn ihr Schicksal wird in unserer alten Familienbibel nicht näher erwähnt.«
    Hatte ich bislang noch die Möglichkeit einer Krankheit erwogen, die sich vom Vater auf den Sohn vererbte wie etwa die Bluterkrankheit von der Mutter auf ihre männlichen Nachkommen, so wuchs jetzt meine Überzeugung, es müsse etwas Unerklärliches im Spiel sein. Etwas Mystisches. Ein Fluch etwa, wie er der Magie der alten Ägypter entspringt und bis auf unsere Tage wirksam werden kann. Gerade die Priester, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, Königsgräber vor Unberufenen zu schützen, waren Meister der magischen Wissenschaften gewesen und beherrschten uneingeschränkt alle geistigen Kräfte, die zum Segen oder Fluch werden konnten.
    »Könnte ich die Bibel einmal sehen?« fragte ich.
    Prüfend
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