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07 Von fremder Hand

07 Von fremder Hand

Titel: 07 Von fremder Hand
Autoren: Deborah Crombie
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vor drei Monaten eingesetzt hatten, hatte Jack Winnie noch immer nichts von Edmund von Glastonbury und seinen Botschaften erzählt. Er fürchtete, dass eine Sache wie diese mit ihrem Beigeschmack von Spiritismus bei ihr nur Entsetzen und Abscheu auslösen würde - und er fühlte sich schuldig, weil es ihm nicht gelungen war, die hartnäckige Hoffnung zu dämpfen, seine sonderbare Gabe könnte ihn irgendwie in Kontakt mit seiner toten Frau bringen.
      Er sagte sich, dass er heute Abend nur hierher gekommen war, um seine Neugier zu befriedigen - um zum Beispiel zu fragen, ab wann die östliche Pforte der Abtei nicht mehr genutzt worden war, oder wann die Kirche die Praxis eingestellt hatte, Kinder als Schenkungen in den Orden aufzunehmen.
      Aber er wusste, dass mehr dahinter steckte. Er musste einfach mit der Vergangenheit in Verbindung treten, er musste die Abtei so sehen, wie Edmund sie gesehen hatte, und sich das Universum in Edmunds Begriffen vorstellen.
      Noch immer zögerte er. Es kam ihm vor, als sei er im Begriff, eine öffentliche Absichtserklärung abzulegen, als überschreite er die Schwelle, die den Skeptiker vom leichtgläubigen Narren trennte; als würde es ihm nach diesem Schritt unmöglich sein, seine Erfahrung vor allen außer Nick geheim zu halten.
      Dann dachte er an die letzte Zeile, die an diesem Tag aus seiner Feder geflossen war:
      Ich weinte nicht.
      Er ging die Stufen hinauf und öffnete die Eingangstür der Assembly Rooms.
     
     

* 3
     
    Der einzige Prüfstein liegt in der Qualität der Botschaft; ist sie wahrhaftig oder nicht, ist sie erbaulich oder entbehrt sie jeglicher hilfreicher Eigenschaften?
     
    Frederick Bligh Bond, aus: Das Tor der Erinnerung
     
    Das Leben, dachte Winifred Catesby, hat die Eigenschaft, dir eine klassische Rechts-Links-Kombination zu verpassen, wenn du es am wenigsten erwartest. Sie war sechsunddreißig Jahre alt und ledig - und es war mindestens ein Jahrzehnt her, dass sie zuletzt ernsthaft überlegt hatte, an diesem Zustand etwas zu ändern. Zwar durften anglikanische Geistliche heiraten, aber kaum ein Mann war gewillt, neben Gott die zweite Geige zu spielen oder überhaupt hinter den Anforderungen ihres Berufs zurückzustehen. Und da Winifred nicht schön war und kein Talent zum Flirten besaß, war sie der Meinung gewesen, sie habe sich recht gut mit ihrer zölibatären Lebensweise und dem geruhsamen Trott abgefunden, in den sie mit ihrem Bruder Andrew verfallen war.
      Und dann hatte sie auf einmal neben Jack Montfort im Chorgestühl der Kathedrale von Wells gesessen, und seitdem war nichts mehr so wie vorher.
      An diesem Juniabend waren sie zum Abendessen im Cafe Galatea in der High Street verabredet, einem netten Restaurant mit ausgeprägter Hippie-Atmosphäre und überraschend guter Küche. Jack zog sie zwar gerne ein wenig auf wegen des vegetarischen Essens, das er als »Vogelfutter« bezeichnete, aber dennoch war dieses Café zu ihrem regelmäßigen Treffpunkt nach der Arbeit geworden.
      Während sie den Wagen vor dem Kreisverkehr an der Street Road langsam ausrollen ließ, inspizierte sie sich noch rasch im Rückspiegel. Haare o.k., Lippenstift o.k., Nase könnte durchaus etwas klassischer sein... Ach was, es passte schon alles, genau wie ihr zweckmäßiges Kostüm aus Rock und Pullover und ihr Priesterkragen.
      Sie kam direkt von einem Termin mit der Erzdiakonin, und sie war spät dran. Der Tag war noch strapaziöser gewesen als gewöhnlich, denn sie hatte ihren Terminkalender umstellen müssen, um die Verpflichtungen von zwei Pfarrern zu übernehmen, die verreist waren. Aber sie konnte sich glücklich schätzen, dass man sie, jung wie sie war und zudem noch als Frau, zur Provinzdekanin ernannt hatte, zusätzlich zu den Aufgaben, die sie in ihrer eigenen Pfarrei St. Mary’s zu erfüllen hatte. Das sagte sie sich, wenn sie wieder einmal versucht war, über ihr Los zu jammern.
      Sie verlangsamte die Fahrt, als sie an der Abtei vorbeikam, und warf einen Blick durch das schmiedeeiserne Tor auf die Anlagen. Als Kind hatte sie eine heimliche Neigung zum Klosterleben verspürt, und auch heute noch empfand sie ein seltsames Gefühl von Ruhe und Frieden, wann immer sie die Luft der Abtei atmete. Waren die Pilger zu Tausenden gekommen, weil sie auf Ablass und Rettung ihrer Seelen hofften oder weil sie dem Paradies auf Erden vielleicht niemals näher kommen konnten als durch den Anblick der Abtei?
      Sie bog in die High Street
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