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07 Von fremder Hand

07 Von fremder Hand

Titel: 07 Von fremder Hand
Autoren: Deborah Crombie
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ich auch erfahren habe, dass er schon mit jemandem über die Veröffentlichung von Edmunds Mitteilungen gesprochen hat, ohne vorher Jack zu fragen.«
      »Unter dem Schafspelz steckt also immer noch ein Wolf.«
      »Ich bin sicher, er hatte vor, es mir zu sagen«, beharrte Jack - und machte damit klar, dass er und Winnie genügend Meinungsverschiedenheiten haben würden, um ihr gemeinsames Leben auf Dauer spannend zu gestalten.
      »London wird uns im Vergleich zu Glastonbury todlangweilig Vorkommen«, meinte Kincaid grinsend. »Trotzdem denke ich, wir sollten allmählich Zusehen, dass wir nach Hause kommen.«
      »Wartet.« Jack stand auf. »Ich hab noch was für Gemma.« Er ging hinaus und kam kurz darauf mit einem flachen, in Papier eingeschlagenen Paket zurück.
      »Für mich?«, fragte Gemma und nahm es neugierig entgegen. Als sie die Schnur gelöst und das Papier zurückgeschlagen hatte, erblickte sie ein Ölgemälde eines Jagdspaniels, der sie mit ebenso seelenvollem Blick ansah wie Phoebe. »Oh«, hauchte sie. »Das ist wunderbar.«
      »Siehst du, ich hab’s nicht vergessen«, sagte Jack, an seinen Cousin gewandt.
      »Aber der ist nicht halb so wunderbar wie du, was, mein Schatz?«, flüsterte Gemma, die sich vorgebeugt hatte, um Phoebes seidige Ohren zu kraulen. Sie dachte an ihre Wohnung, die ohnehin schon zu klein war - einen Hund zu halten war nie in Frage gekommen, sosehr Toby sie auch deswegen bestürmt hatte. Aber jetzt sah sie sich mit noch wesentlich größeren Herausforderungen konfrontiert, und sie fühlte sich mit einem Mal befreit. Es schien ihr, als sei plötzlich alles möglich, und die Aussicht auf die unvermeidlichen Veränderungen, die ihr bevorstanden, erfüllte sie mit brennender Erwartung. Was war nur mit ihr geschehen?
      Konnte es sein, so fragte sie sich, dass die Magie von Glastonbury noch ganz andere Wirkungen gezeitigt hatte, als sie sich hatten träumen lassen?
     
    Sie standen unter den großen steinernen Bögen der Abteikirche. Es war ein wunderbarer Novembernachmittag, doch die Sonne senkte sich bereits zum Horizont, und in der Luft lag der erste Hauch der Abendkühle. Es war kurz vor Toresschluss, das Gelände war fast menschenleer, und bald würden auch sie gehen müssen.
      »Hier«, sagte Winnie zu Jack und ging zwischen den Überresten des Kirchenschiffs hindurch zum Chor. »Ich denke, er sollte an dieser Stelle gesungen werden, so wie es ursprünglich gedacht war.«
      »Und an dem Ort, an dem die Mönche ihr Blut vergossen haben, um ihn zu schützen«, pflichtete Jack ihr bei, den Blick auf die Stelle gerichtet, wo einst der Altar gestanden hatte. »Ist das möglich? Wäre es machbar?«
      »Ich wüsste nicht, was dagegen spricht. In ganz England - und auch im Rest der Welt - gibt es Chöre, die sich um eine solche Chance reißen würden. Aber...«
      »Was?«, drängte er, als er sah, wie sie die Stirn runzelte.
      »Ich denke, der Choral sollte in Glastonbury gesungen werden, von gewöhnlichen Leuten aus Glastonbury, Es kommt nicht auf Vollkommenheit an, sondern auf die Absicht, die dahinter steht.«
      Jack zog ein Blatt Papier aus der Tasche, das er mitgebracht hatte, um es ihr zu zeigen. »Das habe ich heute im Büro geschrieben.«
      »Edmund?«
      Er nickte und wollte ihr das Blatt geben, doch sie schüttelte den Kopf. »Nein, lies es mir vor, bitte. Ich stelle mir immer gerne vor, dass seine Stimme wie deine geklungen haben muss.«
      Jack mühte sich, in dem schwindenden Licht die kleine Schrift auszumachen, und begann stockend zu lesen: »In der Gemeinschaft herrscht große Freude. Der Geist lebt weiter, und was wir erträumt haben, reichen wir an euch weiter, als Symbol der großen Wahrheit, die da kommen wird.
      Doch ihr müsst stets wachsam sein, denn ob ihr auch die Tür verschlossen habt, das Gleichgewicht ist stets bedroht, und gefährlich ist der Fall. Zweifelt nicht an eurem Wert, denn diese Aufgabe ist euch in gutem Glauben anvertraut worden; und fürchtet euch nicht, denn wir werden mit euch wachen. Möget ihr wachsen im Geist und in der Freude.«
      Jack sah von dem Blatt auf. Die untergehende Sonne hatte den Himmel im Westen rot und golden gefärbt, und für einen Augenblick hätte er schwören können, dass er ein Echo von Stimmen hörte, die sich zum Gesang erhoben.
     
     

* Danksagung
     
    Wieder einmal danke ich den Mitgliedern meiner Autorengruppe für ihre uneingeschränkte Unterstützung und ihre
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