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068 - Der Vampir und die Taenzerin

068 - Der Vampir und die Taenzerin

Titel: 068 - Der Vampir und die Taenzerin
Autoren: Marilyn Ross
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lächelte. „Das paßt genau zu den Schauermärchen, die man über die Kapelle erzählt. Sind Sie sicher, daß Sie ihnen nicht übermäßig Gehör geschenkt haben und Ihnen Ihre Phantasie deshalb einen Streich spielte?“
    „Nein! O nein!“ protestierte Diana. „Ich habe das Messer wirklich gesehen.“
    „Von einer unsichtbaren Hand geführt“, wiederholte er. „Ja, es könnte sein, daß Sie ein solches Phänomen gesehen haben.“
    „Bitte, erklären Sie es mir.“
    „Das ist eine lange Geschichte, Miß …“
    „Diana“, sagte sie schnell. „Diana Samson. Ich gehöre zum Ballett.“
    „Wie schön. Wollen Sie nicht zu mir heruntersteigen, Diana? Dann erzähle ich Ihnen über die Kapelle.“
    Diana wunderte sich über sich selbst. Dieser englische Gentleman zog sie wie magnetisch an. Sie eilte die Stufen hinab und setzte sich auf eine der Bänke in der vordersten Reihe, wo er ihr einen Platz anbot. Er selbst zog es vor stehenzubleiben.
    Sie blickte zu ihm hoch. „Ja bitte, erzählen Sie mir doch etwas über die Geister von Collinwood, die keine Ruhe finden.“ In seiner ungewöhnlichen Kleidung sah er aus wie der Vergangenheit entstiegen. Gar nicht erstaunlich, dachte sie, daß die abergläubischen Kleinstädter ihm alles mögliche andichten.
    „Sie glauben also, daß hier Geister spuken?“ Er blickte sie fragend an. Sie errötete. „Ich habe darüber eigentlich noch nicht nachgedacht. Aber es kommt mir so vor, als sei jeder in Collinwood von ihrer Existenz überzeugt. Und dann, auf dem Weg hierher, hatte ich das Gefühl, jemand folge mir. Und zuletzt noch der Schreck mit dem Dolch …“
    „Ich kann Sie gut verstehen“, versicherte er ihr. „Mary Wentworth muß sehr furchtlos sein, daß sie das Ballett in der Kapelle aufführen will. Man munkelt, es läge ein Fluch auf ihr, deshalb machen die Einheimischen auch normalerweise einen weiten Bogen um sie.“
    „Vielleicht hat sie noch nicht davon gehört“, vermutete Diana.
    „Oh, ganz im Gegenteil“, erklärte Barnabas. „Ich habe mit ihr darüber gesprochen, und sie ist entzückt davon. Wirklich, eine etwas merkwürdige Dame.“
    Er nahm neben Diana Platz und stützte beide Hände auf den Wolfskopf seines Stockes. „Es begann vor ungefähr hundert Jahren. Da verliebte sich Anya Collins in einen Ausländer, der Matrose auf einem Schiff ihres Vaters war. Der Junge, Mario Renzie, erwiderte ihre Liebe. Er beschloß, die Seefahrt aufzugeben und zu versuchen, sich in Collinsport eine Farm aufzubauen. Er war ein gutaussehender Bursche von edlem Charakter. Doch er hatte kein Geld. Anyas Vater war erbost über die Frechheit des Habenichts’, die Tochter zu freien. Kategorisch verweigerte er seine Einwilligung.
    Mario aber erhoffte sich von seinem Onkel in Boston Geld für eine kleine Farm. Wenn er dann sein Besitztum vorweisen konnte, würde Anyas Vater sicher nichts mehr gegen ihre Heirat einzuwenden haben. Er machte sich also auf den Weg, erklärte jedoch Anya vorher alles in einem Brief. Diesen Brief gab er zur Weiterbeförderung einem Schiffskameraden. Der aber vergaß ihn über Bier und Wein und verlor ihn zu guter Letzt auch noch. Die arme Anya mußte also annehmen, ihr Mario habe sie sang – und klanglos verlassen.“
    „Wie schrecklich für sie“, sagte Diana mitfühlend.
    „Das war es auch“, stimmte Barnabas zu. „Anya streifte sich in ihrer Verzweiflung das Hochzeitskleid ihrer Schwester über, die erst kurz zuvor geheiratet hatte. Dann flüchtete sie zur Kapelle – genau an dem Tag, für den Mario und sie ihre eigene Hochzeit geplant hatten. Und sie erhängte sich an einem Dachbalken über dem Altar.“ Er wies mit der Hand auf eine Stelle oberhalb der Bühne.
    Diana erkannte sie als dieselbe, von der der Dolch auf sie zugefahren war. „Wer hat sie gefunden?“
    „Ihr Liebster“, sagte er ernst. „Er kam in der gleichen Nacht mit dem Geld von Boston zurück. Die Kapelle war ihr Treffpunkt – überdies hatten sie ihre Hochzeit für diesen Abend angesetzt, deshalb eilte er sofort hierher. Er hoffte, Anya möge denselben sentimentalen Einfall haben. Sie können sich sein Entsetzen vorstellen, als er sie fand. Wie von Furien gejagt, hetzte er zu den Klippen von Widows Hill und stürzte sich dort ins Meer. Die Sage berichtet, daß gleichzeitig mit dem Aufprall seines Körpers, die Glocke im Turm der Kapelle anschlug. Ihr Dröhnen weckte die Bewohner Collinwoods, woraufhin Anyas Vater und andere nachsahen, was es
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