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068 - Der Vampir und die Taenzerin

068 - Der Vampir und die Taenzerin

Titel: 068 - Der Vampir und die Taenzerin
Autoren: Marilyn Ross
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hinter sich zu vernehmen. Vielleicht war ihr Alex gefolgt? Oder Stefan? Rasch wandte sie sich um. Der Weg war leer. Mit klopfendem Herzen blieb sie stehen und lauschte in die Dunkelheit. Sie war ziemlich sicher, daß sie tatsächlich Schritte gehört hatte. Aber vielleicht war es doch nur Einbildung. Oder – sie stockte bei dem erschreckenden Gedanken – die Geister, vor denen man sie in Collinwood gewarnt hatte, lauerten in der Finsternis.
     

     
    Immer noch stand Diana in der wachsenden Dunkelheit, und ihre angstvoll aufgerissenen Augen mühten sich ab, die Schatten zu durchdringen. Ein Nachtvogel flatterte neugierig näher und verschwand wieder mit melancholischem Geschrei. Sie versuchte die Angst zu überwinden und setzte ihren Weg fort. Aus den farbigen Glasscheiben der Kapelle drang tatsächlich schwaches Leuchten. Rechts vom Weg, knapp vierzig Meter entfernt, strahlte helles Licht aus den zahllosen Fenstern des Farmhauses. Dort also waren die jungen Leute des Ensembles untergebracht! Ihre Furcht schien ihr plötzlich lächerlich. Sie beschloß, kurz die Kapelle zu besichtigen und dann ihren Freunden einen Besuch abzustatten.
    Zwei abgetretene Stufen führten in die Kapelle. Scheu ergriff sie, als sie ins Innere trat. Es war ein Ehrfurcht einflößendes altes Bauwerk, mit hoher gewölbter Decke, Reihen von hölzernen Bänken und einem Mittelgang. Einst hatte er zum Altar geführt, an dessen Stelle nun die Bühne aufgebaut war, auf der schwaches Licht brannte. Von dieser verloren wirkenden Glühbirne also rührte das gespenstische Glimmern her, das sie durch die Fenster bemerkt hatte.
    Zögernd schritt Diana über den Mosaikboden und die provisorischen Treppen hinter der Bühne hinauf. Vor der Kulisse, die einen Innenhof darstellte, verharrte sie kurz. Dann inspizierte sie den Bühnenboden. Er mußte fest und ebenmäßig sein, das war für die Tänzer von allergrößter Wichtigkeit. Erleichtert richtete sie sich auf. Die Tischler hatten offensichtlich gute Arbeit geleistet.
    Unvermittelt hatte sie das Gefühl, beobachtet zu werden. Ihr Herz pochte zum Zerspringen. Das Knarren eines Bodenbrettes hinter der Bühne brach plötzlich die unheimliche Stille. Mit schreckverzerrtem Gesicht wirbelte sie herum und sah zur Kulisse. Niemand war zu sehen. Aber sie wußte diesmal ganz sicher, daß sie sich das Geräusch nicht eingebildet hatte.
    Diana blieb wie angewurzelt stehen. Die Nerven zum Zerreißen gespannt, wartete sie. Was dann geschah, kam völlig unerwartet. Sie spürte über ihrem Kopf einen Luftzug und blickte hoch. Entsetzt sah sie die funkelnde Klinge eines Messers herabsausen. Aufschreiend barg sie das Gesicht in ihren Händen.
    Der Dolch verfehlte sie um Haaresbreite. Dann, wie von unsichtbaren Händen bewegt, verschwand er so plötzlich wie er erschienen war.
    Grauen lähmte sie.
    Nur ihre Augen wanderten fast ohne ihr Zutun über die Reihen der Holzbänke. Am Ende des Mittelgangs erfaßten sie eine reglose Gestalt, die Diana schweigend betrachtete.
    Das Mädchen schnappte angsterfüllt nach Luft für einen erneuten Schrei. Da eilte die dunkle Gestalt auf sie zu. Im Licht der einsamen Glühbirne erkannte Diana einen großen schlanken Mann mit einem Stock in der Hand. Von seinen Schultern flatterte ein schwarzes Cape. Diana zweifelte keinen Augenblick, Mrs. Stoddards englischen Vetter vor sich zu haben.
    „Mr. Collins?“ fragte sie mit Zittern in der Stimme.
    Der Mann nickte. „Ich bin Barnabas Collins“, stellte er sich vor. Seine Stimme besaß einen warmen, sympathischen Klang. „Ich fürchte, ich habe Sie erschreckt.“ Er kam näher, und sie konnte ihn deutlicher erkennen. Er hatte ein gutgeschnittenes Gesicht mit melancholisch wirkenden Zügen. Ein Gesicht, wie es Byron beschrieben haben könnte, fand Diana. Sein dichtes schwarzes Haar hatte er locker über die Stirn gekämmt. Seine Haut war ungewöhnlich blaß.
    Es war ihr furchtbar peinlich, daß sie sich vor diesem so selbstsicheren Mann lächerlich gemacht hatte. „Ich sehe offenbar schon überall Gespenster“, entschuldigte sie sich. „Aber kurz bevor Sie kamen, geschah etwas Merkwürdiges.“
    „Etwas Merkwürdiges?“ fragte er höflich.
    Dianas Angst war in Verwirrung übergegangen. Hätte sie sich nur nicht so theatralisch benommen! Aber nun war sie ihm wohl eine Erklärung schuldig.
    „Ich sah einen wie von unsichtbaren Händen geschwungenen Dolch auf mich zukommen. Dann – dann verschwand er plötzlich.“
    Barnabas
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