Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0664 - Der Vampir von Denver

0664 - Der Vampir von Denver

Titel: 0664 - Der Vampir von Denver
Autoren: Claudia Kern
Vom Netzwerk:
sie von zwei Personen aufrecht gehalten wurde. Jemand sagte ein paar schnelle Worte auf chinesisch. Ein anderer antwortete.
    »Können Sie mich hören?« fragte die erste Stimme dann auf englisch. Nicole öffnete die Augen und sah einen Mann vor sich, den sie anhand der Leibesfülle und der schwarzen Kutte als einen der Angreifer aus dem Geschäft identifizierte. Rechts und links von ihm standen zwei weitere Chinesen, die Nicole festhielten. Ein vierter Mann befand sich einige Meter entfernt in dem schmalen Gang und wippte ungeduldig auf den Fußballen. Ihn erkannte Nicole als den Gangstertypen, der sie und Zamorra in die Rattenfalle gelockt hatte.
    »Mein Name ist William Chang«, fuhr der dicke Chinese fort, »von mir erfahren Sie, was Sie gleich erwartet.«
    Der Möchtegern-Gangster unterbrach ihn: »Wir haben ziemlich wenig Zeit. Muß das denn wirklich sein?«
    »Natürlich, Qian. Jeder, der sich dem Ritual unterzieht, muß die Geschichte kennen. Wie kann man Kuang-shi sonst mit dem nötigen Respekt gegenübertreten?«
    »Ich glaube, in diesem Fall ist das ziemlich egal. Schließlich wird sie nicht eine von uns werden, richtig?«
    Changs Mundwinkel zuckten. »Wir werden das Ritual in der angemessenen Würde durchführen, ist das jetzt klar?« sagte er scharf.
    Qian atmete tief ein, schien etwas entgegnen zu wollen, beherrschte sich dann aber und verschränkte einfach nur die Arme vor der Brust.
    Nicole hatte keine Ahnung, worum es in dem Streit zwischen den beiden Männern ging, aber sie stand auf Changs Seite. Alles, was ihr die Zeit verschaffte, sich ein wenig zu erholen und zu orientieren, war willkommen. Und wenn der dicke Chinese ihr dabei auch noch erklärte, was in dieser Stadt vorging, war ihr das nur recht.
    Und das tat er.
    Nicole erfuhr, daß einige chinesische Provinzen vor über tausend Jahren unter der Herrschaft eines Dämons namens Kuang-shi standen, der sich von Menschenblut ernährte. Er terrorisierte und versklavte die Bewohner, bis eines Tages ein Mönch auftauchte, dem es gelang, den Dämon in einen tiefen Schlaf fallen zu lassen. Töten konnte er ihn nicht, dafür war Kuang-shi zu mächtig. Der Mönch erkannte jedoch, daß der Schlaf des Dämons nur so lange andauern würde, wie er zufrieden war. Also baute er gemeinsam mit anderen Mönchen ein Kloster und stellte den Sarg, in dem der Dämon schlief, in eine geheime Kammer. Sie gaben dem Dämon ihr Blut, um seinen Schlaf zu verlängern. Dabei verloren sie einen Teil ihrer Seele an den Dämon, der ihnen im Gegenzug einen Teil von sich schenkte. Die Mönche gaben ihr Geheimnis an die Einwohner eines kleinen Dorfes weiter, die ihre Tradition fortsetzten. Schließlich flohen die Nachfahren dieser Dorfbewohner nach Amerika und nahmen Kuang-shi mit. Auch in ihrer neuen Heimat widmeten sie sich ihrer Aufgabe. Immer waren es vier Priester, die darüber entschieden, wer in das Geheimnis eingeweiht wurde und wer sterben mußte, denn Kuang-shi duldete niemand um sich herum, dessen Geist er nicht kontrollieren konnte.
    »Und das Ritual sorgt dafür, daß er alle kontrolliert?« unterbrach Nicole Changs Ausführungen.
    »Ja! Wenn Kuang-shi das erste Mal von jemandem trinkt, nennen wir dieses Ritual Mo Ji. Es ist ein großer Moment, denn es bedeutet, daß diese Person Teil von etwas wird, das größer als wir alle ist. Normalerweise findet das Ritual statt, wenn ein Kind erwachsen wird, oder wenn ein Zugezogener von uns akzeptiert wird. Ihre Anwesenheit heute ist eine Ausnahme.«
    »In welcher Weise?« fragte Nicole, obwohl sie die Antwort bereits ahnte.
    Chang seufzte: »Wir werden Sie danach leider töten müssen. Ich weiß, daß dies schockierende Nachrichten sind, aber ich möchte Sie bitten, Kuang-shi trotzdem mit der angemessenen Würde entgegenzutreten und uns und Sie nicht zu entehren.«
    Nicole ließ den Kopf hängen und schluchzte leise. Hoffentlich fallen sie darauf ’rein, dachte sie angestrengt. Wenn die Männer sie für harmlos und hilflos hielten, hatte sie vielleicht eine Chance, zu fliehen. Gerne hätte sie Chang nach ihrem Dhyarra-Kristall gefragt, aber sie wollte seine Aufmerksamkeit nicht unnötig auf den Sternenstein lenken. Wenn er nicht von selbst darauf kam, mußte er auch nicht unbedingt erfahren, welch mächtiges magisches Instrument, welche gewaltige Waffe der Kristall war. Nicole nahm zwar nicht an, daß auch nur einer ihrer Gegner in der Lage war, einen so starken Dhyarra zu benutzen, ohne darüber den Verstand zu verlieren,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher