Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0627 - Tanz der Kobra

0627 - Tanz der Kobra

Titel: 0627 - Tanz der Kobra
Autoren: Werner Kurt Giesa
Vom Netzwerk:
verändern kann.«
    »Er verfügt über eine unwahrscheinlich starke Magie«, gab Zamorra zu bedenken. »Damit könnte er uns täuschen, allen jede beliebige Erscheinungsform vorgaukeln und auch deine telepathischen Tastversuche zurückwerfen.«
    »Glaube ich nicht«, erwiderte Nicole. »Ich bin ziemlich sicher, daß ich Sauroidenmagie inzwischen erkenne. Das hier war nicht Charr Takkar.«
    »Aber wer dann? Er ist spurlos verschwunden. Wie? Ein Mensch kann nicht einfach verschwinden. Wir waren dicht hinter ihm.«
    »Der klapperdürre Hungerhaken ist hinter einem Baumstämmchen in Deckung gegangen.«
    Zamorra schüttelte den Kopf. Er sah sich nach der kleinen Schlange auf dem dünnen Ast um.
    Sie war fort.
    Nachdenklich kehrte Zamorra zum Weg und zum Wagen zurück. Vorsichtshalber untersuchte er das Gefährt sehr gründlich. Es hielt es für möglich, daß das Auftauchen und Verschwinden des Inders nur ein Ablenkungsmanöver gewesen war, damit jemand sich hinter ihrem Rücken an dem Geländefahrzeug zu schaffen machen konnte.
    Aber er konnte keine Sabotage feststellen, und offenbar hatte auch niemand einen Ssacah-Ableger im Wagen deponiert.
    »Wir fahren weiter«, entschied er.
    »Trotz dieser Warnung?«
    Zamorra nickte.
    »Ich mag es nicht, wenn jemand nur Orakelsprüche von sich gibt, aber nicht konkret wird. Wenn der Mann etwas deutlicher geworden wäre oder sich wenigstens mit Namen vorgestellt hätte, wäre es vielleicht anders. Aber so… Diese Geheimnistuerei mag ich nicht. Mir stinkt’s schon, daß Merlin nie irgendwelche konkreten Angaben macht.«
    »Und weil du dich über Merlins Geheimniskrämerei ärgerst, strafst du den Turbanträger durch Ignorieren?« gab Nicole zu bedenken.
    »Ich ignoriere ihn durchaus nicht. Wir sollten sehr, sehr vorsichtig sein. -Allerdings auch ihm gegenüber.«
    Er startete den Motor wieder.
    Nicole stieg ebenfalls ein.
    An das Schäferstündchen an schattigem, schlangenfreiem Platz dachte trotz Nicoles verführerischen Nacktheit keiner mehr.
    ***
    Andra Bendhi hockte im Schneidersitz vor dem Korb. Er machte aufmerksamkeitheischende Bewegungen, die zugleich ablenkten. Andra verstand sein Geschäft. Er war sicher, daß die meisten Menschen genau wußten, wie die kleinen Tricks funktionierten, und er wußte genau, wie er sie jedesmal trotzdem wieder in seinen Bann zog. Er war Andra, Herr der Schlangen, und ein großer Teil seines Erfolges begründete sich darin, daß selbst die Menschen, die seine Tricks durchschauten, das Risiko scheuten, sie nachzuvollziehen und lieber den Nervenkitzel genossen, ohne selbst in unmittelbarer Gefahr zu sein.
    Und sie bezahlten gut für diesen Nervenkitzel. Es reichte, um die Bendhi-Familie zu ernähren.
    Sicher, reich wurde man nicht. Aber schon Andras Ur-Ur-Großvater war als Schlangenbeschwörer durch das Land gezogen, und bis heute hatte kein einziger Bendhi jemals hungern müssen. Und das, obgleich sie zu den Unberührbaren gehörten, der niedrigsten Kaste von allen.
    Unter anderen Umständen hätte niemand sich mit ihnen eingelassen. Doch als Schlangenbeschwörer genossen sie hohes Ansehen - vor allem ihrer profunden Heilkenntnisse wegen, die ihr ausgeübter Beruf mit sich brachte. Ihr umfassendes Wissen über Schlangengifte hatte schon vielen Menschen das Leben gerettet. Viele Inder, die von Giftschlangen gebissen werden, sterben allein deshalb, weil sie nicht rechtzeitig ein Hospital erreichen. Das Kobra-Gift lähmt die Atemwege, ist oft schon nach 30 Minuten tödlich. Aber auch trotz Serum kann noch Tage später der Tod eintreten, es gibt keine Berechenbarkeit. Die Schlangenfänger brodeln ihre kleinen, manchmal unappetitlichen Hausmittelchen zusammen. Sie haben Erfahrung mit den unterschiedlichsten Giften, oft genug auf recht traurige Weise gewonnen. Und die Menschen auf dem Land waren froh, zur Not eine Schlangenfängerfamilie in der Nähe zu haben - Ärzte und Hospitale sind recht dünn gesät.
    Belani Bendhi spielte auf der Flöte. Eine Kobra kam aus dem Korb vor Andra hervor, wiegte den Kopf aufmerksam hin und her. Natürlich folgte sie nicht der Melodie, wie viele Menschen glauben, die die Vorstellung eines Schlangenbeschwörers ansehen. Schlangen sind taub, weil sie keine Ohren besitzen. Statt dessen folgen sie den Bewegungen der Flöte. Und Belani wußte sehr genau, wie sie ihre Flöte zu bewegen hatte, um die Schlange tanzen zu lassen.
    Andra spielte die Hauptrolle; er war derjenige, auf den alle achteten. Er ließ den Tanz
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher