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0918 - Höllen-Engel

0918 - Höllen-Engel

Titel: 0918 - Höllen-Engel
Autoren: Jason Dark
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Er saß auf seiner schweren Kawasaki wie jemand, der die Ruhe gepachtet hatte. Seit ungefähr zehn Minuten beobachtete er aus kalten, emotionslosen Augen den breiten Eingang des Konsumtempels.
    Er stand günstig, denn direkt an dem Center führte eine Straße vorbei. Sie war in der Mitte durch einen breiten Grüngürtel geteilt.
    Der Kradfahrer wartete ab.
    Er bewegte sich nicht. Das Sichtvisier seines Helms hatte er in die Höhe geschoben. Der schwarze Helm paßte zu der schwarzen Ledermontur, von der nur die helleren Reißverschlüsse abstachen.
    Auch die schwere Maschine war schwarz lackiert und fiel in der Dunkelheit nicht auf.
    Der Mann beobachtete.
    Er wollte nicht gesehen werden, noch nicht. Er mußte den günstigsten Zeitpunkt abwarten. Wann der eintraf, das sagte ihm sein Gefühl. Dann würde er genau den Kick bekommen, um den friedlichen Konsumtempel in eine Hölle zu verwandeln.
    Mit beiden Beinen stemmte sich der Mann vom Boden ab. Wenn sich bei ihm etwas bewegte, dann waren es einzig und allein seine Augen, die alles unter Kontrolle hielten.
    So sah er auch die Familie, Eltern mit Kindern, die sich links von ihm auf dem Grünstreifen bewegten. Die vier sahen aus, als wollten sie auf ihren abgestellten Wagen zugehen. Der Mann trug die Taschen, seine Frau hielt die beiden Kinder fest.
    Es paßte dem Wartenden nicht, daß die Familie so nahe an ihn herankam. Er beobachtete sie mißtrauisch. Zudem kannte er die Neugierde von Kindern. Und tatsächlich wollte sich der Junge losreißen und auf die Maschine zulaufen.
    »Mum, das ist doch super. So eine will ich auch mal haben…«
    Der Fahrer atmete bewußt ruhig.
    »Später, Jimmy.«
    »Aber ich kann sie mir doch anschauen!«
    »Nein, komm jetzt!«
    Bleibt da, dachte der Fahrer. Bleibt nur da! Es ist in eurem Interesse. Und er hatte Glück, denn die Mutter war stärker. Sie zerrte ihren Sohn zurück. Außerdem war der Vater schon dabei, den Kombi aufzuschließen. Mit barscher Stimme rief er seine Kinder zur Ordnung, die tatsächlich kamen und von ihren Eltern in das Auto geschoben wurden.
    Die Türen knallten zu.
    Der Motor startete. Rückwärts fuhr der Kombi an, und im Gesicht des Mannes auf dem Motorrad hob sich für einen Moment die linke Augenbraue. Die Familie hatte wirklich Glück gehabt.
    Der Motorradfahrer schaute zum Himmel, der von dunklen Wolken bedeckt war. Im Juni blieb es lange hell, aber das Wetter war in den letzten beiden Wochen kaum sommerlich gewesen. Einige Leute trugen schon wieder Herbstsachen, um sich nicht zu erkälten.
    Der Mann klappte das Sichtvisier herunter.
    Alles klar!
    Er war startbereit und schüttelte für einen Moment den Kopf, bevor er den Motor röhren ließ.
    Mensch und Maschine standen unter Druck. Beide vibrierten, beide spürten die Kraft, die in ihnen steckte.
    Kraft bedeutete in ihrem Fall auch Macht. Macht über die Menschen. Macht über Leben und Tod.
    Der Motorradfahrer war zufrieden.
    Er rollte an.
    Für einen Moment stoppte er noch am Rand der Fahrbahn. Er wartete auf die Lücke, die sich rasch auftat.
    Dann gab er Gas, um direkt in die Passage hineinzudonnern. Dort herrschte der Konsumteufel. Aber auch er war ein Teufel. Nur viel gefährlicher und mörderischer…
    ***
    Sie hieß Cheryl Lupa, und daß sie mir gegenübersaß, war eine Geschichte für sich. Eigentlich gehörte sie zu den jungen Leuten, die alles ausprobieren wollten. Die ihr Leben darauf einrichteten, so wenig Verantwortung wie möglich zu tragen, aber alles mitnehmen zu wollen, was dieses Leben so bot. Vor allen Dingen tun. Spaß haben, eintauchen in das Vergnügen, hinein in den großen Kreisel, der einen mitriß, wobei der einzelne nichts, aber die Masse alles war.
    Man mußte nur durchhalten, man durfte nicht schlappmachen, denn wer abschlaffte, war out. Um durchzuhalten, wurde zu den Designerdrogen gegriffen, die bei einem bestimmten Publikum die harten Drogen abgelöst hatten. Man schüttete sich mit Pillen voll, man stürmte in die Discos, man dröhnte sich mit Techno voll, man vergaß alles und war letztendlich nur noch ein zuckendes Wesen, das an der langen Leine irgendwelcher DJs tanzte, denn die waren die eigentlichen Götter in den Palästen und bestimmten, was aufgelegt wurde.
    Auch Cheryl hatte schon Nächte durchgemacht, durchgetanzt, sich den Frust der Woche aus den Knochen geschüttelt und hatte letztendlich erkennen müssen, daß es ihr nicht das brachte, was sie eigentlich wollte.
    Da konnte der Sound noch so hart und wild sein,
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