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0622 - Das Monstrum von der Nebelinsel

0622 - Das Monstrum von der Nebelinsel

Titel: 0622 - Das Monstrum von der Nebelinsel
Autoren: Jason Dark
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hatte. Hatte sie mit dieser Warnung etwa den geheimnisvollen Reiter gemeint, der von Melu auch als Wächter oder Wanderer bezeichnet worden war? Oder lagen die Dinge ganz anders?
    Ich schaute in ihr Gesicht. Aus den Augen konnte ich leider nichts ablesen, und auch ihr Gesicht verriet mir nichts, denn sie hatte sich ausgezeichnet unter Kontrolle. Ich konnte mir vorstellen, daß sie nicht grundlos ihr Pokerface aufgesetzt hatte. Ich wurde den Eindruck nicht los, daß mir Melu einiges verschwieg.
    Sie öffnete den Mund und gähnte. »John, es tut mir leid, aber ich… ich kann nicht mehr.«
    »Sehr müde?«
    »Noch müder. Ich kann mich nicht einmal mehr auf ein Gespräch konzentrieren. Bitte, es ist zwar noch früh, aber wenn ich mich hinlegen könnte, wäre mir geholfen.«
    »Du kannst in meinem Schlafzimmer ruhen.«
    »Danke – und du?«
    »Ich lege mich hier auf die Couch und bleibe noch auf. Etwas solltest du dir merken, Melu. Wenn ich dir helfen soll, dann muß ich die ganze Wahrheit erfahren, begreifst du das?«
    »Natürlich.«
    »Wie steht es damit? Wieviel an Wahrheit hast du mir bisher gesagt. Nicht alles, wie?«
    Sie hob die Schultern. »Mein Wissen ist nicht das beste, John, das mußt du mir glauben.«
    »Ich nehme es zunächst einmal an.«
    Sie gähnte wieder und stand auf. Ich zweifelte an der Echtheit, wollte sie nicht drängen und führte sie in mein Schlafzimmer.
    »Kannst du mir die Tasche holen?« fragte sie neben dem Bett stehend und begann damit, sich zu entkleiden.
    »Natürlich.«
    Als ich wieder zurückkehrte, war sie fast nackt. Sie besaß einen wunderschönen Körper. Aus der Tasche holte ich ein grünes Kleid hervor, das sie überstreifte. »Ein Nachtgewand ist es aber nicht.«
    Melu hob die Schultern »Ich nehme es halt als Nachthemd.« Sie zupfte die schmalen Träger zurecht und ließ sich zurückfallen, die Arme ausgebreitet und wieder gähnend.
    »Gute Nacht«, sagte ich und streichelte ihre Wangen. »Ja, die wünsche ich dir auch. Vielleicht erfahre ich etwas in meinen Traumen.«
    »Dann bitte die volle Wahrheit, Melu.«
    Sie lächelte nur und schloß auch als Blinde die Augen. Ich verließ den Raum auf Zehenspitzen und in Gedanken versunken. So harmlos sich Melusine de Lacre auch aufgeführt haben mochte, in mir keimte tief das Mißtrauen.
    Vor dem Fenster nahm die Welt eine graue Farbe an. Der Tag war sowieso nicht sehr hell gewesen, jetzt zogen auch noch die gewaltigen Wolkenfelder über den Himmel. Vielleicht wurde es Regen geben.
    Aus dem Schlafzimmer hörte ich nichts. Möglicherweise schlief Melusine schon, und mir kam die Stille bedrückend und unnatürlich vor. Ich hatte mich nicht auf sie eingestellt, alles war zu schnell gekommen, fast überfallartig, und ich dachte darüber nach, ob auch für mich eine Chance bestand, das geheimnisvolle Eiland Avalon zu besuchen. Möglicherweise verhielt es sich bei der Insel so ähnlich wie mit Aibon. Auch das Paradies der Druiden war für den normalen Menschen verschlossen. Man mußte schon die geheimnisvollen Wege kennen, um es zu finden.
    Ich schenkte mir einen Whisky ein und nahm im Sessel Platz.
    Zahlreiche Gedanken wirbelten durch meinen Kopf, die ich allerdings nicht ordnen konnte. Es war zwar nicht viel passiert, aber dennoch so viel, daß ich nicht mitkam. Wenn ich etwas herausfinden wollte, verschwamm alles in einer nebligen Suppe. Möglicherweise hatte Suko mehr Glück.
    Ich versuchte es mit einem Anruf und hatte Pech. Mein Freund war unterwegs. Melu hatte mir erzählt, daß sie in Avalon geboren war. Und sie hatte sich selbst als die Vergessene aus Avalon bezeichnet. Weshalb hatte man sie vergessen oder wollte man sie auf der Nebeninsel nicht mehr haben? Welche Rolle spielte der dunkle Reiter, von dem sie mir erzählt hatte. Alles Fragen, auf die mir die Antworten fehlten.
    Als das Glas leer war, stand ich auf und ging auf Zehenspitzen ins Schlafzimmer. An der Tür blieb ich stehen und schaute auf das schlafende Mädchen. Melusine lag auf dem Rücken, sie atmete ruhig und gleichmäßig. Wenn ich sie so anschaute und dabei an Karas Warnung dachte, so konnte ich darüber nur lächeln. Es wollte mir einfach nicht in den Sinn, daß ein Mädchen wie Melusine de Lacre mir gefährlich werden konnte.
    Ich zog mich ebenso leise wieder zurück und spürte ebenfalls die Müdigkeit. Den Tag über hatte ich unter einer gewissen Spannung gestanden, die bröckelte nun ab. Es hatte zudem keinen Sinn, daß ich mit Gewalt versuchte, mich wach zu
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