Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
059 - Der Folterknecht

059 - Der Folterknecht

Titel: 059 - Der Folterknecht
Autoren: Paul Wolf
Vom Netzwerk:
Schulter, meine Arme schnellten nach oben; und mein Körper pendelte wie eine Puppe an einer Schnur.
    Eine Schmerzwelle durchraste meinen Körper, als würde ich mit siedendem Pech übergossen, und mir wurde schwarz vor Augen. Schmerzen in meinen Füßen weckten mich irgendwann. Ich schrie, riß die Augen auf und sah durch einen Schleier hindurch, daß mir Equinus eine brennende Fackel an die Fußsohlen hielt. Er nahm sie erst weg, als er sah, daß ich zu mir gekommen war.
    Ich hing nicht mehr am Strick, sondern lag auf einer Holzbank. Die Arme konnte ich nicht bewegen. Zumindest glaubte ich, daß ich sie nicht bewegen konnte, denn sie waren vor Schmerz ganz gefühllos.
    „Was ist mit – meinen Armen?“ fragte ich, nachdem ich mit einem Seitenblick festgestellt hatte, daß sie in einem seltsamen Winkel wie Fremdkörper von meinem Körper abstanden.
    „Nicht darum kümmern, Euer Gnaden“, redete mir Equinus zu. „Euer Gnaden brauchen die Arme nicht mehr.“
    Mir wurde wieder schwarz vor Augen, aber ich kämpfte mit aller Kraft gegen den Schwächeanfall an. Ich mußte bei Bewußtsein bleiben, meinen klaren Verstand behalten, um herauszufinden, was eigentlich mit mir passierte. Träumte ich nur, oder erlebte ich diese Schrecken wirklich?
    „Equinus?“ kam es krächzend über meine Lippen. „Was tust du mit mir?“
    „Wir treiben den Teufel aus Eurem Körper, Euer Gnaden.“
    „Equinus – sag, daß das nicht wahr ist. Sag, daß ich träume – daß ich nicht in der Folterkammer bin, sondern im Verlies und – und dem Großinquisitor vorgeführt werde.“
    „Euer Gnaden werden nicht mehr dem Großinquisitor vorgeführt“, erwiderte Equinus. „Euer Gnaden haben bereits ein Geständnis abgelegt.“
    „Nein!“
    „Doch“, beharrte der Folterknecht. „Euer Gnaden brauchen nur noch zu erzählen, was er beim Sabbat mit dem Teufel getan.“
    „Wahnsinn!“ sagte ich schluchzend. „Es ist nicht wahr. Ich habe den Verstand verloren. Equinus, du mußt den Großinquisitor zu mir bringen. Ich habe ihm etwas Wichtiges mitzuteilen. Ich habe neue Möglichkeiten für den Kampf gegen die Dämonen gefunden. Beeile dich, Equinus! Ich muß Sprenger sprechen, solange ich noch bei klarem Verstand bin.“
    „Ja, Euer Gnaden. Ich werde den Ketzerrichter holen.“
    Ich hatte nicht mehr die Kraft, gegen die lähmende Ohnmacht anzukämpfen, und überließ mich der süßen, schmerzlosen Finsternis.
     

     

In meinem Körper war ein Ziehen. Ich schlug die Augen auf, hörte jemanden schreien und meinte, daß ich dadurch geweckt worden war, bis ich erkannte, daß ich selbst schrie.
    „Aufhören, Equinus!“ ertönte eine fremde Stimme. „Nicht mehr weiterdrehen! Er ist zu sich gekommen.“
    Über mir war ein fremdes Gesicht. Der Mund darin bewegte sich, und die Stimme von vorhin sagte in einschmeichelndem Singsang: „Ich habe vernommen, daß du deine Schandtaten eingestehen willst. Bist du bereit, dem Teufel zu entsagen und …“
    „Das habe ich schon längst getan!“ schrie ich verzweifelt. „Wo ist Sprenger? Wer seid Ihr? Ich habe ihm eine wichtige Entdeckung mitzuteilen.“
    „Vertraue dich mir an!“
    Ich schloß erschöpft die Augen, riß sie aber sofort wieder auf, als ich die Besinnung zu verlieren drohte.
    „Ich weiß jetzt, wie wir die Dämonen entlarven können.“
    Und ich sagte ihm, daß ich herausgefunden hatte, wie sehr die Dämonen Menschen mit krankem Geist fürchteten. Daraus ergab sich – und darauf wies ich ihn besonders hin – daß die Geistesgestörten in den Gefängnissen alle unschuldig waren; und auch jene, von denen man unter der Folter Geständnisse erpreßte, waren frei von Schuld, denn die wahren Dämonen ließen sich durch körperliche Schmerzen nicht einschüchtern. Sie würden unter der Folter nie ihre Zugehörigkeit zur Schwarzen Familie eingestehen. Ich sprach meine Überzeugung aus, daß alle Gefangenen, die ich im Verlies kennengelernt hatte, unschuldig waren, daß es sich um Opfer von Intrigen handelte, ja, daß die Dämonen sie wahrscheinlich der Inquisition ausgeliefert hatten, um so von sich abzulenken.
    Vielleicht schärfte der Schmerz meine Sinne, oder mein Verstand arbeitete angesichts der tödlichen Bedrohung so präzise. Jedenfalls durchschaute ich plötzlich alle Zusammenhänge. Die Inquisition, in deren Dienste ich mich selbst gestellt hatte, war kein Mittel, um die Dämonen zu bekämpfen. Sie diente höchstens dazu, den Haß, die Zwietracht und das Mißtrauen unter den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher