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059 - Der Folterknecht

059 - Der Folterknecht

Titel: 059 - Der Folterknecht
Autoren: Paul Wolf
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Menschen zu schüren und dem Aberglauben zu einer neuen Blüte zu verhelfen. Die Schandtaten, die die wahren Dämonen begingen, würden rechtschaffenen und unschuldigen Menschen unterschoben werden. Dafür würden die Dämonen schon sorgen. So gesehen war die Inquisition sogar ein Segen für die Schwarze Familie. Denn die Opfer, die auf dem Scheiterhaufen, auf dem Schafott und am Galgen den Tod fanden, waren alles Unschuldige, die unter der Folter nur Geständnisse ablegten, um nicht länger gequält zu werden. Unterdessen konnten die Dämonen weiterhin ungestört ihr Unwesen treiben und die Inquisition als Mittel für ihre Zwecke verwenden.
    Wie klar ich das alles erkannte! Aber ich konnte mich nicht mehr deutlich ausdrücken, denn mir fehlte die Kraft zum Sprechen. Ich merkte es an dem zweifelnden Gesichtsausdruck meines Zuhörers, daß er mir nicht glaubte. Wenn ich nur mit Sprenger persönlich hätte reden können! Er hätte vielleicht die Wahrheit meiner Worte erkannt. Aber Sprenger ließ sich nicht mehr blicken. Vielleicht blieb er mir deshalb fern. weil er mich in diese Situation gebracht hatte und mir gegenüber Schuldgefühle empfand. Ich hätte den Beweis meiner Behauptungen antreten können. Ich wollte der Inquisition am Beispiel von Heinrich Cornelius von Mudt zeigen, woran man echte Dämonen von Unschuldigen unterscheiden und wie man sie vernichten konnte. Doch diesen Beweis konnte ich nicht mehr erbringen, weil man mir nicht glaubte. Ich hätte Mudt natürlich denunzieren können, aber da ich keinen endgültigen Beweis für seine Schuld hatte, unterließ ich es. Denn wenn er trotz aller Indizien, die gegen ihn sprachen, doch kein Dämon war, würde man ihm seine Unschuld nicht glauben. Ich hatte der Inquisition schon zu viele Unschuldige ausgeliefert, als daß ich am Tode eines weiteren Menschen schuld sein wollte. Lieber schwieg ich, auch wenn ich dadurch einen Dämon verschonte.
    Mein Leben war sinnlos geworden, schon von dem Tage an, seit ich den Tod meiner Frau und meiner Kinder auf dem Gewissen hatte. Aber welchen Sinn sollte es haben, daß ich gefoltert wurde?
    Diese Frage stellte ich Equinus, als der ehrwürdige Mann, der als Vertreter des Inquisitors gekommen, wieder gegangen war.
    „Ihr müßt sühnen, Euer Gnaden“, sagte Equinus geifernd und drehte schrill lachend an dem Handrad, wodurch mein Körper gestreckt wurde. „Nur durch die Geißelung Eures Fleisches könnt Ihr die Reinheit Eurer Seele erlangen.“
    Bevor mich die Bewußtlosigkeit von meinen Qualen erlöste, kam mir die Erkenntnis, daß Equinus wie ich zu einem Werkzeug der Dämonen geworden war. Meine Schuld als Richter der Inquisition war nicht geringer als seine als Folterknecht und Vollstrecker.
     

     
    Als der Tag kam, an dem ich mit drei weiteren Opfern zum Scheiterhaufen gefahren wurde, hatte ich keinen heilen Knochen mehr am Leib. Mit mir auf dem Karren fuhr das geistesgestörte Mädchen mit dem Armstumpf, der Vikar von Geching und die Frau des Totengräbers.
    Auch Equinus saß auf dem Karren. Er machte Späße für die Menge, die es ihm mit lautem Gejohle dankte. Er schnitt Grimassen, die sein entstelltes Gesicht noch furchterregender, erscheinen ließen, er machte den Bürgersfrauen eindeutige Gesten, daß sie sich verschämt abwandten, und trieb auch mit uns seine derben Scherze.
    Als jemand aus der Menge etwas zu sehen verlangte, hob Equinus die Magd hoch, entblößte ihren Oberkörper und machte ihr höhnisch den Hof. Das Mädchen, das nicht einmal begriff, wohin die Fahrt ging, ging zum Vergnügen der Menge sogar auf Equinus’ grausames Spiel ein.
    Der verwachsene Mann verstand sein Geschäft als Folterknecht. Er wußte, was er seinem Publikum schuldig war. Und die Leute lohnten es ihm, indem sie von weit her zu seiner Hinrichtung kamen. Ich lag auf dem Rücken im Stroh. Der Vikar hielt meine Hand.
    „Ihr müßt mich doch hassen“, sagte ich.
    Meine Stimme klang mir selbst in den Ohren so entstellt wie die von Equinus. Bei jedem Wort, das ich mir mühsam abrang, schmerzte mein gebrochener Kiefer.
    „Warum?“ fragte der Vikar.
    „Ich war es doch, der Euch dieses Schicksal bescherte. Ihr – müßt mich hassen.“
    Er schüttelte nur den Kopf.
    Was für ein Mensch doch der Vikar war! Einen besseren kannte ich nicht. Und doch hatte ich seinen Tod verschuldet.
    Equinus verhöhnte immer noch das bemitleidenswerte Mädchen. Als er ihr jetzt auf Verlangen der Schaulustigen die letzten Reste Ihres Kleides vom Körper
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