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059 - Der Folterknecht

059 - Der Folterknecht

Titel: 059 - Der Folterknecht
Autoren: Paul Wolf
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brauchen sich nur anzustrengen, dann wird es Ihnen wieder einfallen, was man damals mit Ihnen gemacht hat.“
    Dorian sprang unwillkürlich hoch. Er stieß dabei gegen den Tisch und hätte beinahe das Säurefläschchen umgeworfen.
    „Passen Sie doch auf!“ herrschte Olivaro ihn an.
    Dorian hörte es kaum. Er zitterte vor Erregung und starrte entgeistert auf den Dämon hinunter.
    „Was haben Sie da gesagt, Olivaro?“ fragte er verstört.
    „Tut mir leid, Dorian“, murmelte Olivaro bedauernd, „aber Sie wollten die Wahrheit ja unbedingt erfahren. Ich habe sie gewarnt.“
    „Aber …“ Dorian machte eine hilflose Handbewegung und verstummte.
    „Sie fragen sich, wie es möglich ist, daß Sie schon einmal – vor über vierhundertfünfzig Jahren gelebt haben? Sie können sich nicht vorstellen, der Baron de Conde gewesen zu sein? Denken Sie doch nach, Dorian! Strengen Sie Ihr Gehirn an! Haben Sie nicht von Anfang an, als Sie den Namen des Barons zum ersten mal gelesen haben, sogleich gefühlt, daß es mit diesem Mann eine besondere Bewandtnis auf sich hat? Sie mußten doch geahnt haben, daß zwischen ihm und Ihnen ein geheimnisvoller Zusammenhang besteht.“
    Dorian nickte. „Ja, ich hatte so eine verschwommene Ahnung, aber das …“
    „So überraschend kann die Erkenntnis gar nicht für Sie sein. Der Baron hatte doch von Asmodi das ewige Leben erhalten.“
    Ewiges Leben. Unsterblichkeit. Ja, das war der Lohn gewesen, den der Baron verlangt hatte, wenn er Asmodi seine Seele verschrieb. Aber hatte de Conde nicht bereut und den Kampf gegen die Dämonen aufgenommen? Warum sollte Asmodi dann dennoch Wort gehalten und ihm Unsterblichkeit verschafft haben? Vielleicht war das ewige Leben gar nicht als Belohnung, sondern als Strafe gedacht?
    „Und Sie haben Baron de Conde nicht verraten?“ fragte Dorian.
    „Ich dachte, das sei nicht von Bedeutung.“
    „Doch, jetzt ist es wieder von Bedeutung. Wenn der Baron und ich ein und dieselbe Person sind, dann fällt Mudts Verhalten ins Gewicht.“
    „Ich habe den Baron nicht der Inquisition ausgeliefert“, erklärte Olivaro. „Im Gegenteil, ich hätte ihn sogar gerettet, wenn das in meiner Macht gestanden hätte, denn ich mußte ihm dankbar sein.“ „Warum?“
    „Denken Sie nach, Dorian! Es wird Ihnen sicherlich einfallen.“
    Dorian schloß die Augen und lehnte sich zurück. Er sah den Baron de Conde vor sich, wie er in seinem Zimmer im Haus der Witwe Mengerdorf seine letzte Tagebuchaufzeichnung schrieb. Und es fiel ihm gar nicht schwer, sich mit dem Baron zu identifizieren.
    Vor der Tür warteten Jakob Sprengers Hexenfänger. Als die Frist des Barons abgelaufen war, nahmen sie ihn mit und warfen ihn zu den anderen Opfern der Inquisition in den Kerker. Er sah die Szene ganz deutlich vor sich – so als hätte er sie tatsächlich erlebt. Und er mußte sie auch erlebt haben, denn wie hätte er sonst so genau über den weiteren Leidensweg des Barons de Conde Bescheid wissen können? Er besaß überhaupt keine Unterlagen mehr darüber. Nur seine Erinnerung.
    „Ja, ich beginne mich zu erinnern“, murmelte er. „Ich saß mit den anderen Beschuldigten in einem finsteren, kalten Verlies. Viele von ihnen hatte ich selbst dorthin gebracht …“
     

     
    Vergangenheit
    Ich hoffte nur, daß mich niemand erkannte. Denn wenn die Gefangenen gewußt hätten, wer ich war, hätten sie mich vermutlich in Stücke zerrissen. Es waren nicht wenige unter ihnen, die noch vor wenigen Tagen um ihr Leben gebettelt hatten, es sich von mir hatten erkaufen wollen. Doch ich hatte meine Pflicht getan und sie in den Kerker gebracht, als sich der Verdacht gegen sie erhärtete. Und nun war ich, vor dem sie sich mehr gefürchtet hatten als vor dem Großinquisitor, ihr Leidensgenosse. Aber ich durfte noch hoffen. Sprenger konnte mich nicht wirklich für schuldig halten.
    Wenn ich ihm erklärte, was wirklich auf dem Eulenberg passiert war, und wenn ich ihm schwor, Blaß ich mich von Asmodi losgesagt hatte, dann mußte er meine Unschuld erkennen. Ich mußte das Opfer einer Verleumdung sein. Es passierte nicht selten, daß Neider einen Unschuldigen denunzierten. Ein Ehemann beschuldigte seine Frau, eine Hexe zu sein, nur weil sie ihm unbequem geworden war und er sich einer jüngeren zuwenden wollte. Ein Schmied beschuldigte einen anderen, mit dem Teufel im Bunde zu stehen, nur weil er sich eines Konkurrenten entledigen wollte.
    Solche Beispiele ließen sich endlos aufzählen. Es war Aufgabe der
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