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059 - Der Folterknecht

059 - Der Folterknecht

Titel: 059 - Der Folterknecht
Autoren: Paul Wolf
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Augen war ein seltsamer Glanz, der mich irgendwie an die Teufelsanbeter des Hexensabbats erinnerte. Ja, auf dem Eulenberg hatten die Teilnehmer den gleichen lüsternen, ekstatischen Blick gehabt. Aber noch etwas gefiel mir an dem dicken Kaufmann nicht: seine Stimme. Aus ihr sprach nicht Ekel, auch nicht Mitleid oder Furcht, was nur normal gewesen wäre. Es klang eher nach Erregung, so als ergötze er sich an dem Anblick.
    „Die Magd ist unschuldig“, sagte ich zurechtweisend und hatte eine schärfere Entgegnung auf der Zunge, doch ich sprach sie nicht aus, denn plötzlich kamen mir die Worte des Hufschmiedsohnes wieder in den Sinn, nämlich, daß die Dämonen sich vor Geistesgestörten fürchten würden.
    „Komm her!“ sagte ich zu der Magd, die ihr Gesicht hinter dem Armstummel verbarg. „Komm her, Mädchen! Es soll dir nichts geschehen. Ich möchte dich nur etwas fragen.“
    Ihre Blicke irrten unsicher zwischen mir und dem dicken Kaufmann hin und her.
    „Ich fürchte mich nicht“, sagte sie mit bebender Stimme und schleppte sich zu mir. „Ich fürchte weder die Folter noch das Feuer, denn Asmodi ist mein Schirmherr. Er wird in der Gestalt eines großen, schwarzen Vogels kommen und mit mir davonfliegen. Glaubt mir, Herr, so wird es sich zutragen.“
    „Ja, ja, schon gut“, sagte ich beklommen.
    Ich beobachtete den dicken Kaufmann, der abfällig auf die Magd herunterblickte. Je näher sie ihm kam, desto unruhiger wurde er jedoch. Die Nähe der Geistesgestörten schien ihm unbehaglicher zu sein als der Anblick der Leichenteile. Das bestärkte mich in meinem Verdacht gegen ihn.
    Plötzlich wich er einen Schritt zurück. Er wollte davonlaufen.
    „Halt!“ befahl ich. „Wohin wollt Ihr denn so plötzlich?“
    Er deutete auf die sterblichen Überreste des Hufschmiedsohnes und sagte mit rauher Stimme: „Ich ertrage den Anblick nicht mehr länger. Ich muß …“
    „Auf einmal? Stört Euch nicht viel mehr diese Geistesgestörte? Ich sehe Euch an, daß euch übel wird. Kann nicht der wirre Geist dieses Mädchens dafür verantwortlich sein?“
    „Laß mich in Frieden, du Spinner!“ schimpfte der Kaufmann und wandte sich ab.
    „Nicht gehen!“ rief die Magd hinter ihm her. Sie warf mir einen flehenden Blick zu. „Er soll bleiben! Er ist mein Freund – mein Geliebter. Er hat, was ich brauche. Ich fühle es. Geliebter, bleib hier!“
    Der dicke Kaufmann hatte das andere Ende des Verlieses erreicht. Dort befand sich der alte Mann, der während der Folter den Verstand verloren hatte. Als er sich dem Kaufmann verzückt näherte, flüchtete dieser auch vor ihm.
    „Wachen!“ schrie der Kaufmann verzweifelt. „Bringt mich hier raus! Ich werde alles gestehen, nur schafft mir diese Wahnsinnigen vom Hals!“
    Der Kaufmann war bis zur Tür zurückgewichen und rüttelte an den Eisenstäben. Von allen Seiten näherten sich ihm die Geistesgestörten. Es waren sieben an der Zahl.
    Jetzt wurde auch klar, wieso der Kaufmann den Kontakt mit den anderen Gefangenen gemieden hatte. Er mußte die Ausstrahlung der Geistesgestörten gespürt haben und wollte nicht ihre Aufmerksamkeit auf sich lenken.
    Für mich stand fest, daß er der Werwolf war. Der Sohn des Hufschmieds hatte die Wahrheit gesprochen, als er behauptete, daß die Dämonen die Geistesgestörten mieden. Aber er hatte sein Wissen mit dem Leben bezahlen müssen.
    „Warum seid Ihr denn so verzweifelt?“ fragte einer der Geistesgestörten. „Wir tun Euch nichts,
    Herr. Laßt Euch nur befühlen! Seid mein Freund!“
    Ich wandte mich an den Vikar. „Habt Ihr einen Rosenkranz bei Euch?“
    Er schüttelte bedauernd den Kopf.
    „Besitzt Ihr denn nicht wenigstens etwas, das aus Silber ist’?“
    Wieder schüttelte er den Kopf und legte seine Hand wie schützend auf seine Brust. Ich bog sie ihm gewaltsam zur Seite und sah darunter eine silberne Nadel, die seinen Umhang zusammenhielt. „Verzeiht“, sagte ich und nahm ihm die Nadel gegen seinen Willen ab. „Aber um den Dämon zu erledigen, benötige ich das Silber.“
    „Versündigt Euch nicht!“ rief er mir nach.
    Aber ich hörte nicht auf ihn.
    Der dicke Kaufmann stand noch immer mit dem Rücken zur Gittertür. Jetzt waren auch die anderen Gefangenen auf ihn aufmerksam geworden und näherten sich ihm interessiert, sofern sie sich auf den Beinen halten konnten. Die sieben Geistesgestörten hatten ihn umringt und waren nur noch wenige Schritte von ihm entfernt. Ihre Gesichter leuchteten verklärt. Ich begriff, daß
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