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059 - Der Folterknecht

059 - Der Folterknecht

Titel: 059 - Der Folterknecht
Autoren: Paul Wolf
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Menschen mit einem wirren Geist nicht nur die Dämonen erkannten, sondern auch magisch von ihnen angezogen wurden.
    „Jetzt seid Ihr in die Enge getrieben“, rief ich dem Dämon triumphierend zu. „Warum verwandelt Ihr Euch nicht einfach in einen Wolf und zerreißt die, die Euch so schändlich zusetzen? Macht es doch so wie mit dem Sohn des Hufschmieds!“
    „Du bist verrückt“, entgegnete der Kaufmann keuchend. Schweiß stand auf seiner Stirn. „Ihr seid alle wahnsinnig. Wachen! Rettet mich vor dieser Meute!“
    Als der erste Geistesgestörte in seiner Reichweite war und die Hand nach ihm ausstreckte, sprang der dicke Kaufmann nach vorn. Er stieß unmenschliche Schreie aus, während er wild um sich schlug und sich mit Händen und Füßen einen Weg zwischen den Geistesgestörten zu bahnen versuchte.
    Das wäre ihm auch gelungen, wenn ich mich nicht vor ihn gestellt hätte. Er fauchte und wollte mich mit einem gewaltigen Schlag beiseite schleudern, doch da stieß ich ihm die Silbernadel entgegen.
    Er taumelte zurück, als wäre der Blitz in ihn gefahren, und schrie. Sein Schrei wollte einfach nicht enden. Verzweifelt versuchte er, sich die Nadel, die in seiner Haut steckte, herauszuziehen, doch immer wenn seine Hände – die sich zu behaarten Klauen verformten – das Silber berührten, zuckten sie sofort wieder zurück.
    Wir sahen, wie sich an seinem Hals, ein schwarzer Fleck bildete. Verwesungsgestank ging von ihm aus. Er krümmte sich, brach zusammen, schlug wie ein verwundetes Raubtier um sich und verfiel zusehends, bis er nur noch ein Häufchen Asche war.
    Die Geistesgestörten wühlten in seiner Asche, warfen sie in die Luft und verteilten sie über das ganze Verlies. Sie schreckten erst hoch, als sich die Kerkertür quietschend öffnete, und der gefürchtete Folterknecht erschien.
    „Du!“ sagte er, und sein langer Arm deutete auf mich.
    Ich hörte, wie selbst der Vikar hinter mir erleichtert aufatmete.
    Equinus grinste mir einfältig entgegen, als ich auf ihn zukam. Ich mißdeutete dieses Lächeln, denn ich dachte, daß ich jetzt dem Großinquisitor vorgeführt werden würde, doch Equinus brachte mich in die Folterkammer.
     

     
    Es war ein furchtbarer Anblick. Durch die Rauchschwaden hindurch sah ich einen Mann, der auf einen Hocker gebunden war.
    Einer der Folterknechte entfernte sich gerade von einer Feuerstelle, eine rotglühende Zange in Händen. Der Mann, dem er sich näherte, hatte an vielen Stellen seines Körpers kaum verheilte Brandwunden.
    Ich betrat zum ersten mal eine Folterkammer, denn ich hatte Foltermethoden schon immer verabscheut, sie aber als notwendiges Übel betrachtet, um den Dämonen Geständnisse abzuringen. Wahrscheinlich hätte ich mich schon längst für die Abschaffung der Folter ausgesprochen, wenn ich mit eigenen Augen gesehen hätte, welche Greuel hier geschahen.
    „Das ist unmenschlich, Equinus“, sagte ich erschüttert.
    Er kicherte und wischte den Speichel von der Unterlippe.
    „Es ist die gerechte Strafe für die Dämonen“, erklärte er und kicherte wieder. „Ja. Ja, hier bei mir werden sie wirklich bestraft. Hier lernen sie das Leid kennen, das sie den Menschen zufügten. Wenn sie dann zum Scheiterhaufen geführt werden und brennen oder um einen Kopf kürzer gemacht werden, ist das die Erlösung für sie. Hier bei mir büßen sie ihre Sünden.“
    Ich starrte ihn entsetzt an.
    „Ich hätte nicht geglaubt, daß du zu solchen Grausamkeiten fähig bist, Equinus.“
    „Ich leide mit“, sagte er und wischte sich über sein gesundes Auge, das naß geworden war. Ich wußte nicht, ob aus Mitleid oder weil ihm Rauch ins Auge gestiegen war.
    „Wirklich, Euer Gnaden, es tut mir sehr weh, daß ich diese armen Hunde so behandeln muß, aber ich mache es um ihres Seelenheils willen. Euer Gnaden dürfen nicht böse sein, wenn ich Euer Gnaden bitte, sich die Hände auf den Rücken binden zu lassen.“
    „Was soll das, Equinus?“ begehrte ich auf. „Nimm sofort deine Hände von …“
    Der Schmerz in meinen Armen raubte mir den Atem. Zwei kräftige Kerle bogen sie mir auf den Rücken. Kaltes Eisen legte sich um meine Handgelenke, ein Schloß schnappte zu. Tränen stiegen mir in die Augen, als ich an den Armen in die Höhe gehoben wurde. Ich hörte es in meinen Schultergelenken knacken und versuchte, das Gewicht meines Körpers so zu verlagern, daß die Schultern nicht zu sehr belastet wurden, aber lange hielt ich nicht durch. Plötzlich riß irgend etwas in meiner
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