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059 - Der Folterknecht

059 - Der Folterknecht

Titel: 059 - Der Folterknecht
Autoren: Paul Wolf
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die fanatische Mitwirkung des Barons de Conde wäre alles vielleicht anders gekommen.
    Dorian ballte die Hände. Er hatte bisher im Kampf gegen die Dämonen immer wieder versagt. Es war deprimierend, zu wissen, daß er sie seit über vierhundertfünfzig Jahren jagte und nicht in der Lage gewesen war, ihre Macht zu brechen.
    „Sie irren, Olivaro“, sagte er fest, „wenn Sie glauben, daß ich nicht stark genug bin, die Wahrheit zu ertragen. Vielleicht bin ich in früheren Jahrhunderten daran zerbrochen, aber diesmal wird es anders sein.“
    „Ich wünsche es mir, Dorian.“
    Dorian blickte den Dämon zweifelnd an.
    „Ich verstehe Sie nicht, Olivaro. Was für ein Spiel treiben Sie?“
    „Meine Spielregeln müßten für Sie doch ganz einfach zu durchschauen sein, Dorian“, meinte der Dämon. „Ich habe Ihnen schon in Hongkong angedeutet, daß ich mich Ihnen verpflichtet fühle. Jetzt wissen Sie, warum. Sie haben mir damals in Konstanz das Leben gerettet, als Sie mich nicht der Inquisition auslieferten.“
    „Aber Sie haben sich in Hongkong revanchiert“, erwiderte Dorian. „Jetzt sind wir quitt.“
    „Glauben Sie wirklich?“ meinte Olivaro zweifelnd. „Ich bin schon so weit gegangen, daß es für mich kein Zurück mehr gibt. Mir geht es ähnlich wie Coco, die sich in Sie verliebt hat und deshalb aus der Schwarzen Familie ausgestoßen wurde. Ich kann auch nicht mehr zu dem Dämon werden, der ich einmal war.“
    Diese Erklärung leuchtete Dorian ein. Aber er hatte im Augenblick keine Zeit, sich damit auseinanderzusetzen. In seinem Kopf schwirrten die Gedanken wie ein aufgescheuchtes Bienenvolk herum. Er hatte nun für so viele Erscheinungen Erklärungen, die ihm rätselhaft erschienen waren. Manchmal waren es nur nebensächliche Dinge gewesen, andere waren wiederum von weittragender Bedeutung.
    So wußte er nun zum Beispiel, worauf seine Sprachbegabung zurückzuführen war. Er hatte als Baron de Conde in Deutschland studiert, so daß es ihm auch als Dorian Hunter leichtgefallen war, Deutsch zu erlernen. Auch wenn er bei jeder neuen Geburt die Erinnerung an die früheren Leben verlor, so blieb doch etwas in ihm haften. Er mochte in seinen vielen Leben verschiedenen Nationalitäten angehört haben, so daß es ihm leichtfiel, die verschiedene Sprachen zu erlernen.
    Von größerer Bedeutung aber war die Erkenntnis, daß er nicht eigentlich ein Dämon war, schon gar nicht der Sohn der Hexe Anastasia von Lethian.
    Nein, er würde nicht resignieren, nur weil er bisher versagt hatte. Er lebte in einer modernen und aufgeschlosseneren Zeit mit ungeahnten Möglichkeiten, die er auszunützen gedachte.
    „Eines möchte ich nur noch wissen, Olivaro“, sagte Dorian. „Wieso wurde ich damals von der Gräfin Anastasia von Lethian nach Asmoda gerufen? Wieso versuchte man mir einzureden, daß ich ein Mitglied der Schwarzen Familie war?“
    „Sie müssen das als eine Art Prüfung sehen, Dorian“, erklärte Olivaro. „Bei dieser Konfrontation sollte sich herausstellen, ob Ihr Widerstand gebrochen war und Sie würdig waren, in die Schwarze Familie aufgenommen zu werden. Hätten Sie Ihre Frau geopfert, hätten Sie sich am Hexensabbat beteiligt, man hätte Sie als vollwertigen Dämon anerkannt. Aber Sie haben die Prüfung nicht bestanden. Im Gegenteil, Sie sind zu einem noch gefährlicheren Gegner der Schwarzen Familie geworden.“
    „Und ich werde erst aufhören, einer zu sein, wenn ich endgültig tot bin“, sagte Dorian grimmig. „Dazu kann es schneller kommen, als Ihnen lieb ist, Dorian“, meinte Olivaro. „Sie sind Asmodi zu gefährlich geworden. Deshalb wird er versuchen, Ihnen die Unsterblichkeit zu nehmen, um Sie ein für allemal auszuschalten.“
    „Ich werde ihn vorher zur Strecke bringen“, sagte Dorian zuversichtlich. Und forschend Olivaro anblickend: „Mit Ihrer Hilfe, Olivaro?“
    „Ihr unbeugsamer Charakter beeindruckt mich tief, Dorian“, sagte der Dämon. „Sie können mit meiner Unterstützung rechnen.“
    Dorian war zufrieden.
    Nachdem Olivaro gegangen war, sah Dorian nach Phillip. Der Hermaphrodit lag ruhig und entspannt im Bett.
    Dorian wertete das als ein gutes Omen.
     
     
    ENDE
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