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Die Gefährtin Des Lichts erbin2

Die Gefährtin Des Lichts erbin2

Titel: Die Gefährtin Des Lichts erbin2
Autoren: jemisin
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    Prolog

    Ich kann mich daran erinnern, dass es später Vormittag war.
    Gartenarbeit war meine Lieblingsbeschäftigung. Ich hatte darum kämpfen müssen, denn die Terrassen meiner Mutter waren in der ganzen Umgebung berühmt, und sie wollte sie mir nicht anvertrauen. Ich konnte ihr daraus auch keinen Vorwurf machen — mein Vater lachte immer noch über das Ergebnis meines einzigen Versuchs, die Wäsche zu waschen.
    »Oree«, pflegte sie jedes Mal zu sagen, wenn ich meine Unabhängigkeit unter Beweis stellen wollte, »es ist keine Schande, Hilfe zu benötigen. Es gibt für jeden von uns Dinge, die wir nicht alleine bewältigen können.«
    Gartenarbeit gehörte allerdings nicht zu diesen Dingen. Meine Mutter fürchtete das Unkrautjäten, weil viele der wild wuchernden Pflanzen, die in Nimaro wuchsen, ihren wertvollsten Kräutern sehr ähnlich sahen. Mogelfarn beispielsweise hatte die gleichen fächerartigen Wedel wie Süßzorn; Laufender Weißdorn und Ockerine besaßen Dornen, die in die Finger piksten. Aber die Kräuter und das Unkraut rochen völlig unterschiedlich. Deshalb verstand ich nie, warum sie damit solche Probleme hatte.
    Ganz selten ließen Geruch und Tastsinn mich gleichzeitig im Stich. Dann legte ich den Rand eines Blattes an meine Lippen oder strich mit meiner Hand durch die Blätter und lauschte, wie sie wieder in ihre Ausgangsposition zurückschnellten. Danach hatte ich keine Zweifel mehr. Irgendwann musste Mama dann zugeben, dass ich während der gesamten Saison nicht eine einzige gute Pflanze weggeworfen hatte. Für das nächste Jahr wollte ich um meine eigene Terrasse bitten.
    Normalerweise ging ich stundenlang in meiner Arbeit in den Gärten auf, aber etwas war anders an diesem Morgen. Ich bemerkte es, sobald ich das Haus verlassen hatte: Die Luft wirkte dünn wie Pergament. Eine aufgestaute Spannung schien darin zu liegen. Als die Stürme losbrachen, vergaß ich das Unkraut und setzte mich auf. Instinktiv orientierte ich mich am Himmel.
    Und ich konnte sehen.
    In der Ferne — erst später lernte ich, dass es so hieß — sah ich ausgedehnte, unförmige Flecken Dunkelheit, gesäumt von einem Energiefeld. Ich riss erstaunt den Mund auf und sah, wie große, lanzenartige Gebilde — deren Helligkeit in meinen Augen schmerzte, und das war mir noch nie passiert — heranschossen und die Flecken zerstörten. Aber die Überreste der dunklen Flecken veränderten sich. Sie wurden zu flüssigen Tentakeln, die sich um die Lanzen wickelten und sie verschlangen. Das Licht veränderte sich ebenfalls und wurde zu rasiermesserscharfen Scheiben, die sich blitzschnell drehten und die Tentakel zerschnitten. So ging es weiter, hin und her, Finsternis gegen Licht, und beide gewannen nie länger als für einen kurzen Moment die Oberhand. Während der ganzen Zeit hörte ich donnerähnliche Geräusche, aber es roch nicht nach Regen.
    Andere sahen es ebenfalls. Ich hörte, wie sie aus ihren Häusern und Läden kamen, wie sie murmelten und Rufe ausstießen. Niemand hatte allerdings wirklich Angst. Das Merkwürdige fand alles am Himmel statt, viel zu weit über unserem irdischen Leben, um eine Rolle zu spielen.
    Während ich dort kniete und meine Finger noch tief im Schmutz steckten, bemerkte ich etwas, das sonst niemand wahrnahm: ein Beben tief in der Erde. Nein, es war nicht gerade ein Beben; es war die Spannung, die ich zuvor gespürt hatte, als ob etwas aufgestaut war. Das war gar nicht am Himmel gewesen.
    Ich sprang auf die Füße, griff nach meinem Gehstock und eilte zum Haus. Mein Vater war auf dem Markt, aber meine Mutter hielt sich im Haus auf, und wenn tatsächlich ein Erdbeben im Anzug war, musste ich sie warnen. Ich rannte die Stufen zur Veranda hinauf und riss die wacklige alte Tür auf. Dabei rief ich, sie solle herauskommen und sich beeilen.
    Dann hörte ich es herankommen. Es war nicht mehr länger nur auf das Innere der Erde beschränkt und rollte aus dem Nordwesten heran — aus der Richtung, in der sich Elysium, die große Stadt, befand. Jemand singt, dachte ich zunächst. Nicht jemand, aber viele. Es waren tausend Stimmen, die gleichzeitig erklangen. Das Lied war kaum hörbar. Sein Text bestand aus einem einzigen mächtigen Wort, das die ganze Welt mit seiner Kraft erschütterte.
    Das Wort, aus dem es bestand, lautete: wachse.
    Ihr müsst das verstehen. Ich hatte schon immer die Fähigkeit, Magie zu sehen, aber bis dahin war Nimaro für mich überwiegend dunkel gewesen. Es war ein ruhiges Land
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