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057 - Das Gespensterschloß

057 - Das Gespensterschloß

Titel: 057 - Das Gespensterschloß
Autoren: Peter Randa
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fragen. Trotzdem hört man immer auf ihn. Er ist ja ein Professor … Marthe muß lachen. ‚Ein Herr, der berufsmäßig recht hat.’
    Simone fährt hoch: „Findest du das alles komisch?“
    „Nicht ausgesprochen. Ich finde, Bernard hat ein Geschick, uns in unmögliche Situationen zu bringen.“
    „Ich sehe nicht ein, warum die Situation unmöglich sein soll“, verteidigt sich der Professor, „sie ist unvorhergesehen, weiter nichts. Wären wir im Dorf geblieben, so würden wir jetzt gähnend eine Partie Bridge zu Ende spielen. Statt dessen sind wir im Begriff, in einem mittelalterlichen Schloß um Gastfreundschaft zu bitten.“
    „Meinst du, daß es dort Gespenster gibt?“
    „Es wäre Pech, wenn sie ausgerechnet heute nacht streiken würden.“
    „Ich bin neugierig, wie die Bewohner aussehen“, meint Simone.
    „Leute, die so abgesondert leben, müssen schon Originale sein.“
    Jacques lächelt. Im Grunde ist das alles amüsant. Reisen wären langweilig, wenn sich nie etwas ereignen würde.
    Jacques drückt seinen Zigarettenstummel im Aschenbecher am Armaturenbrett aus, dann kurbelt er die Scheibe seines Fensters herunter. Der Schnee weht wirbelnd in den Wagen.
    „Meine Lieben, es ist hoffnungslos. In ein bis zwei Stunden sind wir restlos eingeschneit. Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren. Wir werden auf das Licht des Schlosses zugehen. Dabei müssen wir auf die Unebenheiten des Geländes achten. Ich warne euch jetzt schon: wir werden nicht das Geringste sehen, und die Stille wird bedrückend sein. Gehen wir.“
    Bernard hat Mühe, die Wagentür aufzubekommen, und schiebt sich hinaus. Er sinkt noch tiefer ein als beim erstenmal. Er macht ein paar Schritte am Wagen entlang, um den Schnee festzutreten.
    „Wir werden gegen den Wind ankämpfen müssen.“
    „Ach was, wir schaffen’s trotzdem.“
    Nun ist Jacques an der Reihe. Die Frauen zögern eine Weile, ehe sie sich mit gerümpfter Nase hinauswagen. Dann stellt Jacques die Scheinwerfer ab. Die Finsternis ist mit einem Schlag vollkommen, und sie alle begreifen jetzt, was er mit der Stille gemeint hatte. Selbst der Wind ist still, alles wirkt wie verhüllt, abgedichtet. Simone hakt sich bei ihrem Mann ein.
    Da stößt Bernard einen weithin hallenden Ruf aus: „Hi … Ha … Huh!“
    Und das Echo kommt nur schwach zurück.
    „Unheimlich, diese Einöde“, stellt der Professor betroffen fest.
    Die Augen zukneifend, erkennen sie ein kleines, gelbes, flackerndes Licht. Es kommt ihnen weit entfernt vor, und zugleich ganz nah, in der Luft stehend wie ein Irrlicht.
    „Richtung Leuchtfeuer. Auf ins Land der Abenteuer!“
    Jacques löst sich von Simone und gesellt sich zu Bernard.
    „Das schwache Geschlecht marschiert hinterdrein. Verliert euch nie aus den Augen und bleibt auf unserer Spur.“
    Trotz allem, es ist ein Spiel, eine Unannehmlichkeit ohne ernste Bedeutung, die man zu einer köstlichen Erinnerung ausschmücken wird, wenn man später einmal auf einer Party von ihr berichtet.
    „Ich komme mir wie ein Polarforscher vor“, meint Marthe.
    Sie machen sich auf den Weg. Mühselig und langsam kommen sie vorwärts, denn die beiden Männer müssen vorsichtig den Boden abtasten, bevor sie einen Fuß vor den andern setzen.
    Trotz der niedrigen Temperatur geraten sie sofort in Schweiß.
     

     

„Ich kann nicht mehr.“ „Wir haben’s ja geschafft.“
    Bernard stützt Marthe, während Jacques und seine Frau bereits vor der Freitreppe angelangt sind. Sie hatten um den gesamten Schloßkomplex herumgehen müssen, bis sie den Eingang fanden – ein massives Portal aus Eichenholz, durchbrochen von einem vergitterten Guckloch, unter dem ein riesiger Türklopfer in Gestalt eines Medusenhauptes angebracht ist.
    Die Frauen sind erschöpft. Nahezu eine Stunde haben sie für eine Strecke von fünfhundert Metern gebraucht, und ihre Kleidung ist durchnäßt. Jacques hebt den Türklopfer und läßt ihn zurückfallen. Das Portal vibriert, und der Ton dringt jäh ins Innere des Gebäudes.
    „Sie erwarten wohl keinen Besuch bei diesem Wetter.“
    Simone hat sich an die Mauer gelehnt, und Marthe steht aufrecht vor ihr.
    „Ich bin nur froh, daß wir endlich da sind. Nicht zu glauben, daß das Gebirge so strapaziös ist.“
    Nichts scheint sich im Schloß zu rühren. Schließlich wird Jacques ungeduldig. „Was ist mit denen los?“
    Mindestens zwei Minuten sind vergangen, seit er den Türklopfer fallen ließ, und zwei Minuten des Wartens unter solchen Umständen bedeuten
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