Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
057 - Das Gespensterschloß

057 - Das Gespensterschloß

Titel: 057 - Das Gespensterschloß
Autoren: Peter Randa
Vom Netzwerk:
Nachdenken Versunkenseins, den sie erwecken.
    Ihre Augen gewöhnen sich allmählich an die Dunkelheit. Im Hintergrund des Raums, gegenüber der Feuerstelle, führt eine doppelte Treppe zu einer offenbar aus Holz bestehenden Galerie. Ursprünglich mag diese Küche ein Wachraum gewesen sein.
    Plötzlich stößt Simone einen Schrei des Entsetzens aus. Alle zucken zusammen.
    Die junge Frau, die sich zu beherrschen sucht, flüstert: „Auf der Galerie muß eine Tür aufgegangen sein.“
    Muß aufgegangen sein … Jacques runzelt die Stirn. Eine Tür geht auf oder bleibt zu. Noch nie hat man eine Tür gesehen, die aufgegangen sein muß.
    Alle schauen zur Galerie hinauf.
    „Drück dich deutlicher aus.“
    „In der Mitte.“
    Dort mag tatsächlich eine Tür sein, aber es ist nicht eindeutig festzustellen.
    „Es kam mir vor, als veränderte sich etwas an der dunklen Wand, so wie wenn in der Nacht eine Tür aufgeht und wieder zu, weißt du“, stammelt Simone.
    Zu sehen ist nichts, nur zu vermuten. Jacques seufzt. Wenn seine Frau anfängt, Halluzinationen zu bekommen, ist es schlimm, denn Marthe wird es ihr sofort nachmachen, und Bernard scheint auch nicht gerade die Ruhe selber zu sein. Er sagt zwar nichts, aber nur damit man nicht merkt, daß er Angst hat.
    Trotz des Aufschreis der jungen Frau haben sich Wilhelm und die Alte nicht gerührt. Offenbar kann sie nichts aus ihrem Versponnensein reißen. Wilhelm sitzt in der Haltung des Denkers von Rodin da, und das trägt nicht zur Beruhigung der Nerven bei.
    „Wo werden wir uns schlafen legen?“ fragt Marthe.
    Richtig, sie kamen in der Hoffnung hierher, ein Nachtquartier zu finden. Bernard zuckt mit den Schultern.
    „Vor dem Kamin, falls man es uns erlaubt.“
    „Ob die Hunde wohl hierbleiben?“
    „Wo mögen sie schlafen?“
    Die Aussicht, daß man sie in der Finsternis umherstreichen spürt, hat nichts Beruhigendes.
    Jacques wendet sich zur Alten um.
    „Haben Sie gehört?“
    „Ja.“
    Das ist alles. Sie geht nicht aus sich heraus, es ist, als sei sie von Ereignissen abhängig, die außerhalb ihres Willens liegen. Jacques mustert sie lange. Ganz augenscheinlich ist sie geistesgestört, und Wilhelm ebenfalls. Welcher Art mag diese Geistesgestörtheit sein? Gefährlich oder harmlos?
    „Wir werden abwechselnd schlafen.“
    „Und sobald es hell wird …“
    Bernard möchte am liebsten sagen: „… dann machen wir uns aus dem Staub“, aber er schämt sich. Übrigens braucht er es gar nicht zu sagen, sie denken alle vier das gleiche und sind sich dessen bewußt. Jacques bricht schließlich in ein nervöses Lachen aus, das ihn immerhin erleichtert.
    „Hören Sie“, ruft er der Alten zu. Sie zuckt zusammen, scheint aus ihrer Trance zu erwachen.
    „Hören Sie, dürfen wir uns vor die Feuerstelle legen?“
    Wilhelm richtet sich mit einem verwunderten Ausdruck auf.
    „Sie wollen unbedingt schlafen?“
    „Haben Sie etwas dagegen?“
    Bedächtig reibt sich der Riese die Hände, seine Bestürzung ist so verblüffend echt, daß Jacques fragt: „Habe ich etwas Dummes gesagt?“
    „Nein. Meinetwegen können Sie schlafen, wenn Sie unbedingt wollen.“
    „Und Sie?“
    „Ich schlafe unter der Treppe.“
    Offenbar im hinteren Teil der Küche, im Schutz der Galerie. Wilhelm auf der einen Seite und die Alte auf der andern. Diese Möglichkeit, dieser Anschein von Organisation und Ordnung mildert das Unbehagen. Letzten Endes sind sie nicht anders als die übrigen Menschen, originell zwar, und sogar ein bißchen verrückt, aber das läßt sich ertragen. Ob sie Mutter und Sohn sind?
    „Und die Hunde? Wo schlafen die Hunde?“
    Die Frage überrascht Wilhelm, und er antwortet nicht. Die Alte beginnt den Tisch abzuräumen.
    „Bleiben sie hier?“
    „Manchmal gehen sie fort.“
    Nutzlos zu fragen, wohin, und warum eine solch harmlose Frage die Alten plötzlich außer Fassung bringt.
    Jacques zuckt resigniert die Schultern.
     „Haben Sie Decken?“
    „Ja.“
    Der Ingenieur weiß jetzt, wie er mit diesen Menschen umgehen muß.
    „Sie werden uns ein paar geben.“
    Sofort stellt sie die Gläser, die sie in der Hand hielt, wieder auf den Tisch und geht zur Treppe, automatenhaft, wie ein Roboter.
    Als sie die ersten Stufen hinaufsteigt, ruft Wilhelm: „Geh nicht … du weißt doch, daß er das nicht mag.“
    „Warum?“
    Nicht die Alte hat gefragt, vielmehr Simone, die mit ihren Nerven am Ende ist.
    „Warum?“ wiederholt Simone.
    Besorgt steht Wilhelm von seinem Baumstumpf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher