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057 - Das Gespensterschloß

057 - Das Gespensterschloß

Titel: 057 - Das Gespensterschloß
Autoren: Peter Randa
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den sie nach der Ankunft in die Küche gegangen waren. Nach jeweils drei oder vier Schritten erkennen sie die Nische eines Spitzbogenfensters.
    Die Schritte sind auf den Fliesen nicht zu hören. Sie gehen wie auf Watte, und es wäre doch so gut, etwas zu hören, es wäre entzaubernd – zur allgemeinen Erleichterung. Simone versucht mit ihren Absätzen auf den Boden zu hämmern, Marthe ebenfalls, vergeblich. Sie schauen einander bestürzt an.
    Die Männer sind nicht allzu beeindruckt von diesem Faktum, aber sie werden sich bewußt, daß der Flur endlos ist, daß sie bereits zwei- oder dreimal abgebogen sind und weitere Galerien überquert haben, die sich im Dunkel verlieren.
    „Ein Labyrinth“, brummt Jacques.
    „Die Dunkelheit ist es, die uns täuscht. Morgen, bei Tageslicht, wird es einfacher sein“, sagt Bernard.
    Es ist, als mache Derais immer größere Schritte, die Frauen kommen kaum nach.
    „Ein bißchen langsamer, bitte“, ruft Marthe.
    „Man muß sich beeilen, jedenfalls nachts in den Gängen.“
    „Wegen des Gespenstes?“ meint Jacques ironisch.
    Er bricht in ein Lachen aus, das nicht befreiend wirkt, und alle haben plötzlich das Gefühl einer geheimnisvollen Anwesenheit – nein, nicht unbedingt einer Anwesenheit, die wäre ja feststellbar. Derais läßt sich durch das Wort Gespenst nicht aus der Ruhe bringen. Der Scherz kommt bei ihm nicht an.
    Kopfschüttelnd sagt er nur: „Was wissen Sie von Gespenstern? Sie sagen das so leichthin. Ich möchte Tristan nicht begegnen. Was sollte ich ihm sagen? Wenn ich es wüßte, wäre es mir gleichgültig. Oder was ihm antworten, wenn er mich anspricht?“
    Langsam wendet er sich wieder um und geht weiter.
    Marthe flüstert Simone zu: „Ich möchte weg.“
    „Wohin?“
    Hinter ihnen die leere Finsternis, und rings um das Schloß die unermeßliche Weite, die der Schnee zur Wüste macht. Hier, im Innern, haben sie in noch bedrängenderem Maße die Vorstellung von einem gefährlichen und fast grenzenlosen Draußen. Sie fühlen sich abgeschirmt vor der Gefahr, nicht vor der Angst.
    Mein Gott, wie lächerlich das alles ist. Jacques versucht sich zu beherrschen. „Wir sind ja blöde.“
    Sicherlich. Derais geht immer weiter, und der Flur zieht sich in die Länge. Warum tut der Schloßherr, als kümmere er sich nicht um sie, als existierten sie nicht – jedenfalls nicht für ihn? In Derais’ Gebaren liegt eine gewisse Entrückung, die sie alle dumpf empfinden, und nicht nur in Derais’ Benehmen, auch in allem, was sie umgibt. Eine Entrückung oder Absonderung, die noch unterstrichen wird durch diese aus einer anderen Epoche stammende groteske Kleidung.
    Jacques führt seine Frau am Arm. Bernard stützt Marthe. Der Flur kommt ihnen ganz ungewöhnlich lang vor, selbst für ein Schloß – sollte sich Derais etwa einen Spaß daraus machen, sie mehrmals an derselben Stelle vorbeizuführen? Aber was könnte einen solchen Scherz rechtfertigen? Trotz seines Aussehens und seiner Kleidung, trotz seiner mysteriös-kauzigen Äußerungen hat er nichts von einem kleinen Schalk, und das verwirt Bernard.
    Endlich hält Derais inne. Mit theatralischer Geste öffnet er eine Tür. Da Jacques und Simone ihm als erste gefolgt sind, wendet er sich zunächst an sie: „Hier ist Ihr Zimmer.“
    Dann geht er zur gegenüberliegenden Tür.
    „Und hier das Ihrige.“
    Marthe überkommt ein Schauder, sie möchte sich nicht von Jacques und Simone trennen, auch mit Bernard wird sie sich allzu isoliert fühlen.
    „Meinen Sie nicht, wir könnten alle vier in einem Zimmer unterkommen? Die Nacht ist ja schnell vorüber, wir möchten Ihnen möglichst wenig Umstände bereiten.“
    „Mir macht es nichts aus.“
    Er lächelt sarkastisch, als habe er die junge Frau durchschaut und als amüsiere er sich darüber. Er fügt hinzu: „Auf einem Tischchen rechts von der Tür werden Sie Leuchter finden.“
    Er wartet. Jacques entschließt sich als erster, holt den Leuchter aus dem Zimmer und kommt in den Flur zurück. Es ist ein dreiarmiger Leuchter aus massivem Silber mit riesigen, dicken Kerzen, die er an Derais’ Leuchter entzündet.
    Die Flammen steigen senkrecht auf, kein Hauch, keine Zugluft läßt sie flackern. Bernard hat gleichfalls seinen Leuchter geholt. Jetzt ist alles hell erleuchtet, und der Alpdruck verflüchtigt sich ein wenig.
    „Sie finden weitere Leuchter in Ihren Zimmern und auch Holz in den Kaminen.“
    Derais verbeugt sich: „Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht unter meinem
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