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Agentur der boesen Maedchen

Agentur der boesen Maedchen

Titel: Agentur der boesen Maedchen
Autoren: Lotte Kinskofer
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Annette   Wie konnte ich nur. Ich wusste ja, dass er ein Vollidiot war. Außerdem hat er meinen Job bekommen. Na, nicht ganz. Er hat den Job bekommen, den wir beide wollten. Und er war nun mal nach fünf Jahren promoviert, nicht ich. Ich hatte interessante Seminare gemacht, die Aufsätze für den Professor geschrieben, Studenten und Studentinnen betreut, ich war geachtet und beliebt. Thomas galt als faules Stück, aber er hatte seine Doktorarbeit fertiggeschrieben und dann das Angebot zur Habilitation bekommen. Ich stand auf der Straße. Fünf Jahre wissenschaftliche Assistentin – und nun nicht mehr vermittelbar auf dem Arbeitsmarkt, überqualifiziert oder falsch qualifiziert oder gar nicht – je nachdem. Doktor-Thomas, wie sie ihn nun nannten, hatte meine Abschiedsparty organisiert, und ich Trottel war auch noch gekommen. Selber schuld. Da stand ich nun in einem Seminarraum der Fakultät, hörte mir die lobenden Worte des Doktorvaters an, der meine ungeschriebene Dissertation geflissentlich nicht erwähnte, nippte an meinem Glas Sekt und war wütend. Vor allem auf mich. Sie lobten mich noch schnell hinaus, die Herren vom Institut, dann waren sie wieder unter sich. Die vielen »Studentinnen«, die so gerne in meine Seminare gegangen sind, waren nicht mehr zu sehen. Sie hatten sich einen Job gesucht. Vielleicht erinnerten sie sich gelegentlich noch mal daran, dass sie an der Uni gut betreut worden waren, von Annette, der frustrierten Assistentin, die es besser machen wollte als die Helden.
    Nach dem offiziellen Teil, als sich alle den Chips zuwandten und ihre Sektgläser noch einmal auffüllten, kam Doktor-Thomas auf mich zu.
    »Was wird jetzt aus dir?«
    »Keine Ahnung.«
    »Kein Angebot? Ein Verlag oder so was?«
    »Nein.«
    »Hast du’s versucht?«
    »Interessiert dich das?«
    »Mensch, sei nicht so störrisch. Ist doch noch nicht alles zu Ende. Die Doktorarbeit kriegst du besser hin, wenn du nicht in den Laden hier eingespannt bist. Und dann ist dir ein guter Job auch sicher, während ich hier versauere.« Ich strafte seine tröstenden Worte mit Nichtachtung. Aber so richtig pampig wollte ich auch nicht werden, schließlich saß man ja nicht fünf Jahre im selben Büro, um sich dann zum Schluss auch noch gegenseitig fertigzumachen. Wir hatten gemeinsam auf den Professor geschimpft, Freud und Leid miteinander geteilt und gelegentlich auch noch ein bisschen mehr.
    Doktor-Thomas unterbrach meinen widersprüchlichen Gedankenfluss. Vertrauensvoll legte er mir die Hand auf die Schulter und kam näher. Ich zuckte zusammen.
    »Sag mal …«
    »Ja?«
    »Wir könnten doch mal wieder miteinander ausgehen?«
    »Warum nicht?«
    »Was, so begeistert?«
    Doktor-Thomas lachte. Er sah wirklich nett aus, wenn er gute Laune hatte. Und plötzlich das Interesse an mir. Ich wusste gar nicht, wie mir geschah. So kam es also: Donnerstagabend bei unserem Italiener. Ich hatte ja alle Zeit der Welt.

Eva   Ich hatte es schon immer gewusst. Aber mir will ja keiner glauben. Aber jetzt bin ich ganz nah dran. Die werden Augen machen, und die Ohren natürlich zu, denn das wollen sie alle wieder nicht hören. Doch in dem neuen Buch werde ich den Beweis führen. Die meisten Werke der Männer haben nicht sie geschrieben, sondern ihre Frauen, Freundinnen oder Töchter. Thomas Manns Werk wäre demnach zum Teil von Erika Mann, der Erfinder des Existentialismus hieße nicht Sartre, sondern Beauvoir und so weiter. Beweise gab es genug. Dass sie bisher übersehen wurden, war eine Frage der Perspektive. Belege hatte ich schon gesammelt, aus Briefen und Tagebüchern. Selbst wenn die These hart war für die andere Hälfte der Menschheit, da mussten sie einfach durch. Sie hatten ja auch den Frauen ihre Werke geklaut. »Mensch Eva, hör auf zu spinnen, damit kommst du doch nie durch«, sagte Karin, als ich ihr von meiner These erzählte.
    Dass Karin dämlich war, fiel mir gerade in diesem Moment wieder auf. Ihre Themen hießen »Weiblichkeit in der Männerwelt« oder so ähnlich, und es klang immer so, als wenn man sich als Frau mit ein bisschen Charme leicht in dieser Welt der Schwanzträger zurechtfinden könnte. Warum Karin unser kleines Archiv für Frauenforschung benutzen durfte, war mir schleierhaft. Schließlich bauten wir unser Informationssystem in der Freizeit auf, neben der Lektoratsarbeit und dem Job in der Buchhandlung. Aber wenn es Arbeit gab, war Karin eigentlich nie zu sehen. Also brauchte sie heute etwas, sonst wäre sie nicht
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