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057 - Das Gespensterschloß

057 - Das Gespensterschloß

Titel: 057 - Das Gespensterschloß
Autoren: Peter Randa
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Schloß liegen?“
    „Mein Gott, das stimmt ja!“
    „Könnte das Schloß dir zur Orientierung verhelfen?“
    „Einigermaßen.“
    „Man sieht es von der ganzen Hochfläche aus, und Lichter müßte man erkennen können.“
    „Dazu muß man freilich aussteigen.“
    Bernard schlägt seinen Mantelkragen hoch, dann bindet er seinen Schal fester und öffnet vorsichtig die Wagentür. Ein eisiger Windhauch dringt in den Wagen, und die beiden Frauen wachen jäh auf.
    „Was ist denn? Wo sind wir?“
    Simone erkundigt sich beunruhigt: „Warum hast du gehalten, Liebster?“
    Sie sind seit drei Jahren verheiratet. Jacques fängt an zu lachen. Eigentlich ist das gar nicht so tragisch, selbst wenn man sich darauf einstellen muß, bis zur Morgendämmerung im Wagen zu warten. Er erklärt: „Bei diesem verdammten Schnee sieht man die Straße nicht mehr, und es ist möglich, daß wir die Richtung verloren haben. Bernard wird nun den Weg erkunden.“
    Bernard ist im Begriff, auszusteigen. Sofort sinkt er bis zu den Knien ein, und die drei hören ihn einen saftigen Fluch brüllen. Gleich darauf erscheint sein Kopf wieder im Türrahmen.
    „Halblinks erkenne ich ein Licht. Aber eine Weiterfahrt ist unmöglich. Der Schnee reicht bis zur Motorhaube. Sie ist wie ein Magnet, er staut sich vor ihr.“
    Jacques versucht anzufahren, aber die Räder drehen leer durch.
    „Wir bleiben hier stehen, bis der Schneepflug kommt und die Straße freimacht.“
    Simone summt vor sich hin, während Bernard wieder in den Wagen steigt.
    „Du sagst nichts, Marthe?“
    „Ich warte.“
    Marthe äußert sich nie. Sie ist ein stilles, gelassenes Mädchen, das mit philosophischer Ruhe alles hinnimmt. Simone fügt sich weniger leicht.
    „Wer hat von einem Schloß geredet?“ fragt sie.
    „Ich weiß nicht, ob es sich um ein richtiges Schloß handelt“, erwidert Jacques, „aber so wird es in der Gegend genannt.“
    „Ist es bewohnt?“
    „Sicher. Bernard hat Lichter gesehen.“
    „Dann gehen wir hin. Dort sind wir jedenfalls besser aufgehoben, als hier in dieser Karre.“
    „Leicht gesagt“, brummt Bernard.
    Draußen ist’s nicht eben anheimelnd. Eine Weile bleiben sie stumm. Jacques holt ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche und läßt es herumgehen.
    „Ich gestehe, wenn wir hier stundenlang hängenbleiben … es ist noch nicht einmal Mitternacht!“
    Mit einem mal werden ihre Gesichter ernst. Man kann nicht sagen, daß sie ausgesprochene Angst empfinden, aber das Gebirge hat etwas Bedrängendes, Feindseliges. Man muß es ernst nehmen, es respektieren.
    „Ist es noch weit bis zu deinem Schloß?“
    „Sicher nur ein paar hundert Meter.“
    Das ist immerhin beruhigend. Simone entspannt sich: „Was den Schnee betrifft, so werden wir’s schon schaffen.“
    Und zu Marthe gewandt, fügt sie hinzu: „Die Männer werden vorausgehen und für uns Trampelpfad treten.“
    Jacques mustert Bernard, der sich sonst immer etwas nörglerisch gibt, doch diesmal läßt er keine Übellaunigkeit erkennen.
    „Ich glaube tatsächlich, das wird das Vernünftigste sein.“
    Alle vier sind sie jung, unter Dreißig. Jacques und Simone sind die Gemäßigten innerhalb der kleinen Bande. Bernard und Marthe flirten ein bißchen.
    Jacques, schwarzhaarig, kräftig, mit klaren Zügen, ausgeprägtem Kinn. Bernard ist größer, gelenkiger. Blond, matte Hautfarbe. Jacques ist Ingenieur, Bernard Dozent für Literatur an der Universität Lausanne.
    Von den Frauen weist jede ihre Besonderheiten auf. Beide sind hübsch, ohne einander zu ähneln. Simone ist klein und brünett, überaus eifersüchtig und ziemlich reizbar. Sinnlicher Mund und riesengroße Augen. Oft hat sie auch zärtliche Anwandlungen.
    Marthe ist sanfter. Sie hat lange, aschblonde Locken, die bis auf die Schultern herabfallen. Selten überkommt sie der Zorn, sie verteidigt sich mit Ironie, die nicht weniger gefährlich ist als Simones gelegentliche Temperamentausbrüche.
    Beide haben viel Erfolg, und sie sind stolz darauf. Nie hatten sie Veranlassung zur gegenseitigen Eifersucht, was ihrer Freundschaft zugute kommt.
    Seit sechs Tagen fahren sie nun gemeinsam durch die Lande, ohne bestimmtes Ziel. Die Idee, mitten in der Nacht den Paß zu überqueren, stammt von Bernard. Stets ist er es, der die Entscheidungen trifft. Jacques ist der Ausführende, und die Frauen fügen sich. Marthe gerät ins Sinnieren. Bernards Entscheidungen sind nicht immer die vernünftigsten, aber er käme nie auf den Gedanken, um Rat zu
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