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Resteklicken

Resteklicken

Titel: Resteklicken
Autoren: Meschner Moritz
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Moritz Meschner lümmelt rum.
    vor 8 Minuten
    4 Personen gefällt das.
    Wenn ich genau in diesem Moment aus heiterem Himmel einen Herzinfarkt bekommen würde, käme das äußerst ungelegen.
    Man würde mich nämlich SO finden: Mit herunter­gelassener Hose vor dem Computer, wie ich gerade dabei bin, mir einen runterzuholen und mit der linken Hand ein Kopfmassagegerät umklammere, das ich dazu passend in rhythmischen Auf- und Abbewegungen über die Kopfhaut führe.
    Da meine Eltern den Zweitschlüssel zu meiner Wohnung haben, nehme ich an, dass sie es wären, die mich dann lustig verstorben hier entdecken würden. Vermutlich würden sie denken, ich hätte einen zu groß geratenen Schneebesen auf dem Kopf.
    Dabei fühlt sich das Gerät fast so an wie Frauenhände mit langen Fingernägeln.
    Darüber hinaus würden sie mich zwischen Hunderten von leeren Bier- und Weinflaschen finden, meine Klamotten, Uni-Bücher und Lebensmittel auf dem Boden verteilt und das gesamte dreckige Geschirr in der Badewanne.
    Natürlich habe ich es noch immer nicht abgewaschen, dazu geht es mir einfach zu schlecht, und so dusche ich, wenn überhaupt, inmitten von verkrusteten Tellern, Töp ­fen und einem ziemlich scharfen Küchenmesser. Wie mein rechter Fuß gestern feststellen durfte.
    Ach ja, und dann ist da noch das hundertköpfige Frucht­ fliegen-Geschwader, das den Luftraum von meiner Küche bis ins Wohnzimmer für sich beansprucht. Dabei habe ich nicht mal Obst im Haus. Oder war der braune Schleim­klops da hinten in der Ecke mal ein Apfel? Selbst das CSI -Team könnte das nicht mehr rausfinden.
    Am liebsten würde ich meine Wohnung einfach in den Müll schmeißen und mir eine neue zulegen.
    Und bei der Gelegenheit auch gleich ein neues Leben.
    Seit Steffi weg ist, bin ich durch unterschiedliche Phasen gegangen, ein paar schlechte. Und dann waren da noch die GANZ schlechten. Ich stelle mir für einen kurzen Moment die Frage, ob ich jetzt den absoluten Tiefpunkt erreicht habe. Da ich mich ziemlich gut kenne, muss ich diese Frage leider verneinen.
    Eine andere Frage kann ich hingegen mit einem glasklaren »Ja« beantworten: Ja, ich gehöre zu den Typen, die sich vor dem Rechner einen runterholen. Täglich. Wenn mir langweilig ist, sogar mehrmals täglich, denn der Sextrieb ist mir glück­licherweise erhalten geblieben. So what?! Laut einer Umfrage holen sich neunzig Prozent aller Männer regelmäßig einen runter. Was die anderen zehn Prozent machen, weiß ich nicht. Ich nehme aber stark an, sie liegen im Koma.
    Was mich am meisten an der Vorstellung meines spon tanen Todes stört, ist übrigens nicht die Tatsache, dass mir ein Eintrag nebst Foto im Buch der peinlichsten Selbstbefriediger sicher wäre, sondern dass auf meinem Computer noch nicht einmal ein Porno läuft.
    Stattdessen ist Facebook offen.
    Und ich wichse vor dem Partybild einer Freundin, das sie heute Vormittag hochgeladen hat.
    »Freundin« ist in Zeiten von Facebook ein vollkommen neu zu definierender Begriff. Ich kenne die Frau kaum, habe mich gestern auf der Party nur ein paar Minuten mit ihr unterhalten, und hätte sie mich nicht heute von sich aus »als Freund hinzugefügt«, dann wüsste ich nicht mal ihren Nachnamen.
    Auch ihr Vorname war mir nach fünfzehn Jägermeistern und einem kurzen gescheiterten Anmachversuch meinerseits entfallen.
    Theoretisch hätte sie auch Maik heißen können.
    Trotzdem hat sie mich als Facebook-Freund hinzuge fügt, und ich nehme ab sofort virtuell an ihrem realen Le ­­ben teil.
    Janina Behncke chillt.
    vor 2 Minuten
    Dir und Carola Silberstedt gefällt das.
    Ihr Leben scheint genauso leer zu sein wie meins.
    Ob sie auch ein Kopfmassagegerät besitzt?
    Wenn ich mir die Statusmeldungen meiner anderen Freunde so durchlese und die von »fühlt sich krank« über »Pippi Langstrumpf auf ki.ka!« bis hin zu »ess jetzt mal ’ nen Apfel und stell mir vor, es ist ein Nussini ...« reichen, dann ist das in etwa so spannend, wie in ein leeres Aquarium zu glotzen. Trotzdem verfolge ich jede einzelne Meldung mit der Hingabe eines Nachrichtenredakteurs, der den News­ticker beobachtet.
    Übrigens: Ich habe ein Aquarium auf Facebook.
    Und nicht nur das. Ich bin mittlerweile stolzer Besitzer eines Restaurants, eines Cafés, einer Farm, eines Zoos, einer Insel, eines Haustieres und eben – eines Aquariums. Dabei interessiere ich mich überhaupt nicht für Fische.
    Ich überlege kurz, ob ich meinen Status nicht in »ist mit seinem Aquarium schon
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