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0488 - Blutregen

0488 - Blutregen

Titel: 0488 - Blutregen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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später schien es, als bliebe ihnen der Umweg doch nicht erspart. Das Dorf wurde von Zaun, Wall und Graben umgeben, und ein großes Tor versperrte die Straße. Es gab allerdings keinen Wachturm, und ein Wächter schien offenbar auch nicht in der Nähe zu sein.
    »Seltsam«, überlegte Nicole. »Wozu diese Schutzbefestigung, wenn niemand da ist, der aufpaßt, daß kein Feind sie übersteigt?«
    »Wäre ich der Feind, ’s wär mir gar zu mühselig, hinüberzusteigen.«, schnaufte der Dicke. »Sehr betrüblich kommt’s mir vor, daß wir diesen Ort nun doch umrunden müssen. Heda - man öffne das Tor, aber hurtig, wenn’s beliebt!« Er hämmerte mit der Faust dagegen.
    Natürlich kümmerte sich niemand darum.
    »Ignorante Frevler!« zürnte der Grande. »Stehenden Fußes eile jemand herbei, um zu öffnen, oder ich lasse ihn…«
    »Still, Bruder Cristofero«, mahnte Nicole; in der Tat verstummte der Grande verdutzt. Er schluckte und rollte heftig mit den Augen. »Wie nennt Ihr mich? Bruder? Einen dieser saft- und kraftlosen Mönche, die…«
    »… es faustdick hinter den Ohren haben, mein Lieber. Oder solltet Ihr mir da etwas vorgeflunkert haben, als Ihr von dem Mönch bei Hofe spracht, der einer Dame den Hof und ein Kind machte und Euch die Schuld zuschob?«
    »Hä-ähemm!« räusperte sich Cristofero, und ehe er noch darauf hinweisen konnte, daß Nicoles Ausdrucksweise für eine Dame doch recht unschicklich sei, fuhr sie fort: »Außerdem habt Ihr Euch doch vorhin entschieden, das Gewand eines Bruders vom Stein zu tragen.«
    »Aber doch nur behufs der Tarnung!« protestierte Cristofero. »Doch hier draußen ist niemand, der uns sehen oder belauschen könnte.«
    »Vielleicht aber jenseits des Tores, nachdem Euer Gebrüll ihn herbeilockte«, erwiderte Nicolè. »Also beschwert Euch nicht, wenn ich Euch - behufs der Tarnung - als ›Bruder Cristofero‹ anrede.«
    Sie wandte ihm den Rücken zu; erst einmal war er ruhiggestellt - wenigstens für eine halbe Minute. Nicole sah einen Türgriff. Sie konnte sich nicht vorstellen, daß man einen Stadtwall und ein Tor unbewacht ließ. Wenn er gegen menschliche Feinde gerichtet war. Probeweise drückte sie auf die Klinke - die gab nach, und das Tor ließ sich öffnen. Nicole schob es einen schmalen Spalt weit nach innen.
    »Bitte einzutreten.«
    Cristofero stürmte herein. Nicole drückte die Tür wieder ins Schloß. »Vielleicht ist es ein Schutz vor dem Raubund Ungeziefer, das da draußen sein Unwesen treibt.«
    Unwillkürlich schüttelte Cristofero sich. »Garstiges Gezücht«, stieß er in Erinnerung an eine Mischung aus beißendem Insekt und fressender Raupe hervor. »Ausrotten sollte man es, statt für teures Geld einen solchen Wall zu bauen.«
    »Vielleicht erfüllen diese gefährlichen Tiere einen bestimmten Zweck«, sagte Nicole. »Auch bei uns ist es so. Es muß Raubtiere ebenso geben wie Insekten.«
    »Etwa auch Fliegen und Stechmücken?« empörte sich der Don. »Was gebt Ihr da für schauderhaften Unsinn von Euch, schönste Mademoiselle?«
    »Sie dienen zum Beispiel den Vögeln als Futter. Erst wenn der Mensch verhement eingreift, wird das ökologische Gleichgewicht zerstört, und er muß immer öfter eingreifen, um einen Ausgleich zu schaffen, wobei er andererseits noch mehr zerstört. Eine teuflische Spirale.«
    »Dann tut doch was dagegen, wenn Ihr’s so schlau erkannt habt«, grummelte Cristofero. »Bittet Monsieur deMontagne, daß er zum König geht und… ach, Ihr habt ja in Eurer modernen Zeit keinen König mehr. Genau das ist es doch, woran die Welt zugrunde geht. Hättet Ihr nicht so leichtsinnig die Monarchie abgeschafft, blieben Euch viele Probleme erspart! Demokratie, Herrschaft des Volkes… pah, das Volk ist doch viel zu dumm, um zu regieren. Euer Beispiel ist dafür doch eines der besten! Nein, Ihr solltet wieder einen König oder einen Kaiser haben. Laßt den Adel regieren, der ist von Gott dazu erschaffen, und der Adel hat auch Zeit, die Weisheit, Philosophie, Wissenschaft und Politik zu erlernen, um das Volk weise und gerecht zu regieren. Doch Bauern und Krämer und Handwerker, sie müssen täglich von früh bis spät schuften für ihren Lebensunterhalt und die geringen Steuern, die sie dem König dafür zahlen, daß er sie regiert und beschützt. Wie sollen sie da noch Zeit aufbringen, um zu lernen und klug zu werden? Entweder arbeiten sie, oder sie verhungern.«
    Nicole seufzte kopfschüttelnd. »Diskussion«, murmelte sie, »ist die beste
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