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0488 - Blutregen

0488 - Blutregen

Titel: 0488 - Blutregen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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gesetzt hatte, sondern auch bei Zamorras Entführung mit von der Partie gewesen war, gewissermaßen als Oberschurke. Dieser lag nun, seines kultischen Gewandes entledigt, geknebelt und gefesselt, in der warmen Asche und harrte der Dinge, die da kommen würden. Derweil waren Nicole und Cristofero unterwegs zu der kleinen Ortschaft, die zum Tempel gehörte. Nicole hatte ihre telepathischen Fähigkeiten eingesetzt und aus den Gedanken von Steinbruder Xolox erfahren, wohin man Zamorra gebracht hatte und wo der Tempel zu finden war. Sie wußte jetzt sogar, wo sich die Zelle befand, in der man ihn angekettet hatte. Was sie nicht wußte, war, daß er mittlerweile in den Folterraum geschleppt worden war, und daß Xolox längst nicht mehr gefesselt in der Asche lag. Zwei Diener, jene wesenlosen, nichtmenschlichen Gestalten in ihren dunklen Kapuzenkutten, hatten ihren Herrn befreit und schwebten nun neben ihm her, während er in angemessenem Abstand Nicole und Cristofero folgte.
    Cristofero hatte sich das Gewand des Bruders vom Stein über seine Kleidung geworfen. Er hielt das für eine brauchbare Tarnung. Schließlich konnten sie nicht wissen, ob seine eigenen Sachen in dieser Welt nicht ebenso auffällig waren wie auf der Erde dieses Jahrhunderts. Zamorra hatte zwar einmal ernsthaft versucht, ihn neu ausstatten zu lassen, aber immer wieder verzichtete Cristofero auf die modische Eleganz der 90er Jahre und zog die Kleidung seiner Zeit vor: ein grünes Wams, dunkle Kniebundhosen, helle Strümpfe, Schuhe mit riesigen, goldenen Schnallen, ein breiter Ledergürtel, an dem rechts ein Täschchen und links das Degengehänge befestigt waren, einen roten Schulterumhang und einen großen, schwarzen Hut mit einer riesigen Zierfeder. Letzteren hatte er ebenso unter dem Bruderschaftsgewand verborgen wie den Degen, der ihn beim Gehen nun doch ein wenig behinderte; zudem spannte das Gewand über Cristoferos unübersehbarem Bauch, und Nicole fragte sich, ob es unter den Brüdern vom Stein tatsächlich jemanden gab, der einen solchen Leibesumfang erreichte und darüber hinaus eine derart rötliche Knollennase besaß, wie sie nebst zwei listig funkelnden Äuglein aus dem wild wuchernden Bartgestrüpp des Grande hervorlugten. Aber es war dunkel geworden, und in der Nacht, so hoffte Nicole, waren auch hier alle Katzen grau. Sie selbst konnte in ihrem engen, schwarzen Lederoverall ebenso auffallen wie Cristofero. Man mußte abwarten, worauf man traf, und sich notfalls eine neue, bessere Tarnung beschaffen.
    Der Weg zog sich nicht sehr lange hin. Schon bald tauchten linker Hand Palisaden und Wälle auf. Die Garnison! Hier waren Truppen stationiert. Ob zum Schutz des Dorfes oder zu seiner Plage, wußte Nicole nicht. Aus Xolox’ Gedanken war nicht sehr viel hervorgegangen, und sie hatte auch nicht zu intensiv forschen wollen. An Xolox’ intimsten Problemen und Problemchen, die sie dabei zwangsläufig mit wahrgenommen hätte, war sie nicht interessiert.
    Sie bewegten sich jetzt am Rand einer breiten befestigten Straße, die das Dorf -schon fast eine kleine Stadt - und natürlich auch die Garnison mit der nahegelegenen Hauptstadt verband. Ein König regierte dieses Land, hatte Nicole den Gedanken Xolox’ entnommen, aber dabei auch unterschwellig gespürt, daß der König nur eine Marionette der Bruderschaft vom Stein war. Die Bruderschaft mußte erheblich vorangekommen sein auf dem Weg zur Macht - es sei denn, dies war vielleicht doch nicht Ash’Cant. Immerhin hatte Nicole dort noch nie Regenbogenblumen gesehen. Aber das bedeutete nichts; Ash’Cant war eine große, vielfältige Welt, und selbst auf der Erde veränderten sich Landschaften und Kulturen alle paar tausend Kilometer.
    Cristofero blieb stehen. »Wo ist denn nur dies Tempelchen?« schnaufte er und tupfte sich mit einem Ärmelzipfel seines Beutegewandes Schweiß von der Stirn. Lange Fußmärsche war er nicht gewohnt. Für so etwas gab es in seiner Zeit schließlich Sänften oder Kutschen.
    »Der Tempel befindet sich auf der anderen Seite des Dorfes«, erklärte Nicole mit dem Unterton ehrlichen Bedauerns. »Wir müssen also entweder außen herum oder mitten hindurch.«
    »Dann mitten hindurch«, ächzte Cristofero. »Das dünkt mich kürzer. Sollte es mich noch einmal in eine andere Zeit verschlagen, so werde ich diesem nichtsnutzigen Gnom auftragen, daß er mir eine Sänfte und genügend Lakaien mit auf den Weg schickt. Dann bleibt mir diese entwürdigende Anstrengung erspart.«
    Wenig
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