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04 - Winnetou IV

04 - Winnetou IV

Titel: 04 - Winnetou IV
Autoren: Karl May
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zog der ‚Junge Adler‘ die Brauen leicht zusammen und antwortete:
    „Würde ich mir diese Gabe wünschen, wenn ich ihren Wert nicht zu schätzen wüßte? Bin ich weniger wert als sie?“
    Da ging ein Lächeln über Wakons schönes Angesicht, und er entschied mit lauter Stimme, so daß alle es hörten:
    „Du bist der erste ‚Winnetou‘, und du wirst deinem Volk das Fliegen lehren. Du wirst ein großer, berühmter Häuptling sein. Ich erlaube, daß mein Kind dich hinauf gen Himmel begleite!“
    Ein lauter Jubel rundum. Der ‚Junge Adler‘ griff in die Drähte seines Apparates, ließ die Flügel schlagen, stieg ein Stück in die Höhe und rief herab:
    „Wir danken dir, sie und ich. Ich hole mir sie zum Flug. Vorher aber habe ich ein Wort mit den Häuptlingen zu reden, die unsere Gefangenen sind.“
    Er stieg noch weiter empor, flog zum Erstaunen aller dreimal rund um den Platz, kam dann in Windungen wieder nieder und erreichte die Erde grad vor der Kanzel, auf welcher Kiktahan Schonka mit seinen Verbündeten saß. Er trug die vier Medizinen, die ich ihm gegeben hatte. Sie sahen sie sofort, und To-kei-chun rief ihm zu:
    „Unsere Medizinen! – Her damit! – Wer sie behält, ist ein Dieb!“
    „Ja, es sind eure Medizinen“, antwortete der ‚Junge Adler‘. „Wir stahlen sie nicht, sondern wir bewahrten sie nur auf. Es wird Gericht über euch gehalten werden, wobei es sich zu zeigen hat, in welcher Weise sie mit euch vernichtet werden. Old Shatterhand nahm sie euch. Er erlaubte mir, sie euch zurückzugeben. Nun wir euch aber als Lügner, Räuber und Mörder erkennen, nehme ich sie wieder mit!“
    „Uff, uff! Uff, uff!“ riefen sie erschrocken und streckten die Hände nach ihm aus.
    Er aber beachtete das nicht. Er flog wieder auf, schwebte wieder dreimal um den Platz und verschwand dann hinter dem ‚Berg der Medizinen‘, um sich auf seinem Wartturm niederzulassen.
    Grad und genau zur Mittagszeit erschien er wieder, mit Aschta, seiner Braut, neben sich auf dem Sitz. Tausende standen rundum und schauten erwartungsvoll zu ihm auf. Die Herzen bebten über die Kühnheit des jungen, schönen wagemutigen Paares. Er flog in weitem Kreis und ruhiger, sicherer Haltung erst die vorgeschriebenen drei Male um den Berg. Dann stieg er steil und hoch zur Spitze empor, um am Fuß der Felsennadel zu landen. Er selbst blieb sitzen, um den Apparat in eigener Gewalt zu behalten. Aschta aber stieg aus. Das sahen wir trotz der sehr bedeutenden Höhe. Sie verschwand. Nach einiger Zeit kehrte sie zurück und stieg wieder ein. Der Riesenvogel trennte sich vom Felsen, schwebte vom Berg ab und in Bogenlinien tiefer, immer tiefer, flog abermals dreimal um unsern Platz und ließ sich dann genau auf denselben Punkt der Fahrstraße, wo er schon einmal gestanden hatte, nieder. Wir befanden uns in größter Spannung und eilten alle hin – Tatellah-Satah mit.
    „Habt Ihr gefunden?“ fragte der letztere.
    „Ja“, antwortete der ‚Junge Adler‘. „Den Stein, und unter ihm diese beiden Teller.“
    Er gab sie unserem alten Freund. Es waren zwei kleine, uralte, irdene Teller, deren Ränder mit einem sehr harten Bindemittel vereinigt waren. Wir mußten sie zerbrechen, um zu dem Gegenstand zu kommen, der sich zwischen ihnen befand. Dieser Gegenstand war ein zusammengelegtes, weißgraues Stück Zeug mit Nesselglanz. Nachdem wir es auseinandergeschlagen hatten, sahen wir, daß es eine Karte war, eine Wegesroute , mit einer sehr dauernden, farbigen Flüssigkeit gezeichnet. Kaum hatte Tatellah-Satah einen Blick auf diese Zeichnung geworfen, so rief er im Ton der Genugtuung aus:
    „Er ist es! Er ist es, der Schlüssel! Das ist der genaue Weg von dem ‚Berg der Medizinen‘ bis auf die Spitze des ‚Berges der Königsgräber‘! Wir haben gewonnen! Es ist ein Sieg, ein unendlich großer und unendlich wichtiger Sieg über die Schatten, mit denen die Geschichte der roten Rasse bisher zu kämpfen hatte! Es wird hell um uns werden, hell, klar und warm! Wir werden schon morgen oder übermorgen einen Entdeckungszug nach den hochgelegenen ‚Königsgräber‘ veranstalten! Es soll Freude sein von heute an! Freude, Hoffnung und Zuversicht für alle, denen es ein Bedürfnis ist, sich an dem großen Aufstieg nach den Höhen der Menschheit zu betätigen!“
    Von jetzt an gab es trotz der ernsten Lage der Verschütteten eine frohe Feststimmung rund um den Mount Winnetou. Es litt uns, nämlich Tatellah-Satah und mich, nicht unten an dem Wasserfall,
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