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04 - Winnetou IV

04 - Winnetou IV

Titel: 04 - Winnetou IV
Autoren: Karl May
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über alles Hemmende und Niedrige und doch auch zugleich wie eine Angst, ob das Große, was wir uns vorgenommen hatten, wohl auch gelingen werde. So stieg ich wieder nach dem Schleierfall hinab, wo es inzwischen vollständig hell geworden war, so daß wir die Zerstörung nun sichtbar vor uns liegen hatten. Es hätte keinen Zweck, sie zu beschreiben. Auch das eigenartige, sorgenvolle Regen und Treiben an der Unglücksstätte will ich nicht schildern. Es sah wüst um den großen Abgrund, der gerissen worden war, aus, und es gab jetzt noch keinen, der den zwecklosen Mut besaß, sich an seinen Rand heranzuwagen, um hinabsehen zu können. Menschen kamen und gingen. Sie alle wurden von der Frage bewegt, wann die ersten Geretteten wohl erscheinen würden. Leider handelte es sich hierbei nicht nur um Stunden. Der Gang, in dem gearbeitet werden konnte, war sehr schmal; es konnten also nicht zahlreich vereinte Kräfte in Tätigkeit gelangen. Darum schritt das Rettungswerk so langsam vor sich, daß mehr als ein voller Tag vergehen konnte, bis man zu den Verschütteten gelangte. Zuweilen erklang über den weiten Platz der Jammerruf des alten Tangua:
    „Pida, – mein Sohn – mein Sohn!“
    Oder man hörte einen der anderen Häuptlinge klagen:
    „Meine Komantschen! Meine Utahs! Meine Sioux!“
    Plötzlich aber gab es einen Augenblick, wo jedermann rief und jedermann schrie und jedermann nach oben in die Lüfte deutete:
    „Ein Vogel! Ein Vogel! Ein Riesenvogel!“
    Das war nicht ganz zwei Stunden, nachdem der ‚Junge Adler‘ fortgeflogen war. Jetzt kam er wieder. Er wußte, wo ich zu suchen war. Er beschrieb einen weiten Bogen hoch über uns, verengte ihn nach und nach und kam in einer Schraubenlinie langsam und mit erstaunlicher Sicherheit zur Erde herab. Er faßte genau zwischen den Kanzeln, mitten auf der Fahrstraße, Fuß.
    „Der ‚Junge Adler‘, der ‚Junge Adler‘ ist es!“ rief es überall.
    Jedermann drängte herbei, um ihm näherzukommen. Da aber ertönte die mächtige Stimme Athabaska :
    „Zurück! – Gebt Raum! – Er ist der verheißene ‚Adler‘, der dreimal um den ‚Berg der Geheimnisse‘ fliegt und euch die verlorengegangenen Medizinen wiederbringt!“
    Da stockte der Zudrang. Man hielt sich fern.
    „Der verheißene Adler – – – dreimal um den ‚Berg der Geheimnisse‘ – – – die Medizinen wiederbringt!“ so erklang es überall und durcheinander.
    Tatellah-Satah stieg von seiner Kanzel herab und schritt zu dem kühnen Flieger hin; ich mit ihm.
    „Du fliegst, ohne mich zu fragen?“ tadelte er. Aber auf seinem alten, wunderlieben Gesicht glänzte eine große, stolze Freude, denn nun war es ja erwiesen, daß der ‚Junge Adler‘ fliegen konnte.
    „Ich flog nicht für dich oder mich“, entschuldigte sich dieser, „sondern für Old Shatterhand.“
    „Wohin?“
    „Nach dem ‚Tal der Höhle‘.“
    „Wie steht es dort?“
    „Die Hüter der Pferde sind alle gefangen. Man wird sie und die Pferde noch heut hierherbringen. Der Eingang der Höhle ist derart mit heruntergeschwemmten Felsen versperrt und verrammelt, daß kein Mensch von dort aus zu den Verschütteten zu kommen vermag. Ich habe es selbst gesehen. Sie können nur von hier oben aus gerettet werden. Wann befiehlst du, Tatellah-Satah, daß ich dreimal um den Berg fliegen und nach dem Schlüssel zu dem ‚Berg der Königsgräber‘ suchen soll?“
    „Heut“, antwortete der Gefragte.
    „Ich danke dir! Es wird genau zur Mittagszeit geschehen, wenn die Sonne über unsern Häuptern steht. Aber ich darf nicht allein hinauf. Es muß noch jemand dabei sein, sonst fliegt mir der Adler, während ich nach dem Schlüssel suche, fort.“
    Er schaute sich bei diesen Worten unter uns um, sah Wakon mit anderen Häuptlingen in seiner Nähe stehen und sprach, seine Worte an diesen richtend, weiter:
    „Mit mir da hinaufzufliegen, ist eine Verwegenheit, die ich von niemand fordern kann, der sie mir nicht anbietet. Aschta, deine Tochter, hat mich gebeten, sie mit hinaufzunehmen. Erlaubst du es?“
    Wakon sah ihm mit einem langen, sehr ernsten Blick ins Gesicht und antwortete:
    „Du bist kühn! Weißt du, was du von mir forderst?“
    „Ja“, antwortete der ‚Junge Adler‘ ebenso ernst.
    „Kennst du die Folgen für dich und sie, wenn sie sich dir auf diesem Flug zugesellt?“
    „Sie sind mir bekannt. Aschta hat mein Weib zu werden!“
    „Und kennst du ihren Wert? Kennst du die Größe der Gabe, nach welcher du verlangst?“
    Da
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