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0361 - Am Tor zur Hölle

0361 - Am Tor zur Hölle

Titel: 0361 - Am Tor zur Hölle
Autoren: Werner Kurt Giesa
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unermeßlicher Größe. Wie ein Pfeil stürzte er herab und landete auf der oberen Rahe des Mastes.
    »Der Leichenschwelger!« stieß Zamorra hervor. »Die alte Sage der Wikinger erzählt von einem gewaltigen Adler, der das Schiff Nagelfahr begleitet. Der Leichenschwelger, der das Fleisch der unbestatteten Toten auf den Schlachtfeldern des Nordens frißt!«
    »Was tun wir, Zamorra?« keuchte Odysseus und fixierte den mächtigen Vogel, der die beiden Männer aus kaltglitzernden Augen interessiert betrachtete. Aber er schien keine Absicht zum Angriff zu haben.
    Erst kurz bevor sie die Gefilde der Hel verließen, kam Bewegung in den Leichenschwelger. Ein heiserer, pfeifender Laut, dann schlug sein leicht gekrümmter Schnabel auf die Seile ein, mit der die Segel am Mast befestigt waren. Ein kurzes Reißen, dann wurden die Leichentücher durch aufkommenden Sturmwind fortgetragen. Majestätisch erhob sich der Leichenschwelger wieder in die Luft und schwebte davon.
    »Wir müssen neue Segel aufziehen!« stieß Odysseus nach einer Weile hervor. »Die Strömung wird immer stärker. Ohne die Hilfe von Segeln können wir keinen Kurs mehr halten!«
    »Es ist kein Segeltuch mehr da!« erklärte Zamorra knapp.
    »Dann mögen uns die Götter helfen!« murmelte Odysseus. »Geh zum Bug und melde mir, wenn du Riffe siehst – oder das Tor zu unserer Welt!«
    »Wenn wir unsere eigene Welt wieder betreten, dann wird das Schicksal unsere Wege wieder trennen, Odysseus!« sagte Professor Zamorra.
    »Unsere Wege finden sich und trennen sich wieder!« nickte Odysseus.
    »Ich werde dich wieder rufen, wenn ich in Not bin. Wie auch immer unser letztes Abenteuer ausgeht – ich danke dir, daß du meinem Ruf gefolgt bist. Ohne dich hätte ich es nicht geschafft!«
    Trotzdem er alle Kraft am Steuerruder brauchte, schaffte er es doch, Professor Zamorra die Hand zu drücken. Der Meister des Übersinnlichen sah dem Fürsten von Ithaka noch einmal in die klugen und immer etwas listig funkelnden Augen.
    Ihm war klar, daß er Odysseus nach ihrer Heimkehr in die eigene Welt, niemals mehr wiedersehen würde. »Lebewohl, Odysseus!« flüsterte er leise. »Lebewohl… !«
    Der Fluß der Tränen wurde immer reißender. Professor Zamorra stand im Bug des Totenschiffes und brüllte Odysseus so gut es ging die Richtung zu, in die er steuern mußte. Gischtkämme krönten die Wellen. Immer wieder erkannte Professor Zamorra jetzt schroffe, kantige Felsenriffe nur wenig unterhalb des Wassers.
    Mit aller Kraft bediente Odysseus das Steuer. Nagelfahr änderte immer wieder schwerfällig den Kurs und trieb an den gefährlichen Riffen vorbei.
    Und dann schien der Himmel aufzureißen. Eine gleißende Helligkeit durchbrach die Düsternis der Welt. Aufwärts gerissen wurden die Fluten des Acheron.
    Doch im gleichen Moment wuchs ein gigantisches Riff aus der Flut.
    Es glich der Schneide eines Schwertes und glitzerte wie blindes Bergkristall.
    Bevor Professor Zamorra dem Odysseus eineWarnung zurufen konnte, war es zu spät. Es krachte und knirschte, als Nagelfahr auf das Riff auflief.
    Das ganze aus den Nägeln der Toten gefügte Schiff erbebte. Dann brach es wie ein Kartenhaus auseinander. Planken und andere Bauteile versanken in der Flut, um nicht wieder aufzutauchen. Nur der Totenschädel des Drachen am Bug schien Professor Zamorra, von unheiligem Leben erfüllt, noch einmal in bösartigem Triumph anzugrinsen.
    Dann stürzte Professor Zamorra kopfüber in die aufschäumenden Fluten des Acheron und schwamm um sein Leben…
    Auch Odysseus kämpfte mit den Wellen. Er sah das Licht und versuchte, darauf zuzuschwimmen. Er konnte sich nicht um Professor Zamorra kümmern, der ebenfalls ein vorzüglicher Schwimmer war. Jetzt mußte jeder selbst sehen, wie er sein Leben bewahrte.
    Immer wieder ruderten seine Arme und teilten dasWasser. Er sah noch einmal Zamorras Kopf über dem Wasser, wie dieser seinen Körper mit einem kräftigen Schwimmstoß dorthin brachte, wo das Licht begann.
    Sofort war Zamorra verschwunden – in seiner eigenen Welt.
    Auch Odysseus strengte die letzten Kräfte an, in das Licht zu gelangen…
    ***
    Das schlanke Motorboot vor der Insel Mykonos dümpelte im ruhigen Wasser.
    Die See war still, und die schlanke, junge Frau auf dem Vordeck hatte das Oberteil ihres Bikinis abgelegt, um so etwas mehr Sonne zu bekommen.
    Sie hatte das Motorboot für einen ganzen Tag gemietet und wollte heute nichts anderes tun als zu faulenzen und sich in der Sonne zu bräunen.
    Im
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