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0361 - Am Tor zur Hölle

0361 - Am Tor zur Hölle

Titel: 0361 - Am Tor zur Hölle
Autoren: Werner Kurt Giesa
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reden, während wir gehen. Teiras sagte mir, daß König Theseus von Athen es wagte, hier unten länger zu verweilen und hier so lange festgebannt war, bis Herkules in die Unterwelt kam, um den Höllenhund zu fangen und Theseus dabei hier heraus holte. Beeilen wir uns, daß wir hier nicht mit dem Boden fest verwurzeln!«
    »Geh voran und zeige den Weg, den dir Teiras nannte!« verlangte Professor Zamorra und nahm das Schwert wieder auf.
    »Er konnte mir den Weg nicht genau beschreiben!« gab Odysseus zurück, während er einen der dunklen Gänge an der hinteren Wand ansteuerte.
    »Er gab mir nur den Rat, immer einigen Schatten der Abgeschiedenen von meinem Blut trinken zu lassen. Wenn ich dann meine eigene Sprache höre oder gar mir bekannte Persönlichkeiten treffe – dann befinde ich mich in den richtigen Gefilden. Von da ab sollen wir den Fluß Acheron suchen und uns diesem Fluß anvertrauen. Wie Teiras sagte, wird uns das Wasser dieses Flusses in unsere eigene Zeit und Welt hinüber bringen!«
    »Versuchen wir es!« nickte Professor Zamorra kurz. Er hatte so eine Ahnung, die ihn sicher nicht trog. Denn er war vor einiger Zeit schon einmal in eine Unterwelt hinabgestiegen, in der er Odysseus traf [4] . Damals hatte sich Odysseus gewundert, Zamorra in anderer Kleidung zu sehen. Der Parapsychologe war bei dem zurückliegenden Abenteuer am Fluß Acheron gewesen und konnte Odysseus problemlos den Weg zu jenem Gewässer weisen. Der Acheron ist der Fluß, der sich aus den Tränen der Hinterbliebenen bildet, die um die Verstorbenen geweint werden.
    Zamorra hatte das unheimliche Schattenreich als »Scheol« kennengelernt.
    Mit diesem hebräischen Wort bezeichnete man die »Heiden-Hölle«. Hier fanden sich die Geister der Toten zusammen, die nie etwas von dem uns bekannten Himmel oder der Hölle des Kaisers LUZIFER gehört hatten. Es war der Hades der Griechen, der Orkus der Römer oder das Reich der Totengöttin Hel, vor dem die Wikinger zurückschauerten.
    Professor Zamorra hatte gehört, daß die Toten sich jeweils in Gefilden befinden, die ihren Vorstellungen entsprachen.
    Es kam also jetzt darauf an, die Unterwelt des klassischen Griechenland zu finden, wo die Seelen der Missetäter im Tartaros gepeinigt werden und die Schatten der friedlich Verstorbenen in traurigem Glück auf der Wiese mit den Asphodelos-Blumen wandeln oder in den Elysäischen Gefilden die Inseln der Seeligen finden. Zamorra wußte jedoch auch, daß es Feindschaften gibt, die sich selbst im Schattenreich fortsetzen. In der Ebene der Krieger tobt eine ewige Schlacht der Toten, die im Leben im Haß gegeneinander gestorben sind.
    Mit diesen Gedanken folgte Professor Zamorra dem Odysseus, der mit raschen und kräftigen Schritten durch den Gang lief. Gelegentlich erreichen sie Kammern oder Säle, die teils gemauert oder mit feinen Mosaiken und sonderbaren Malereien verschönt, zum anderen Teil roh in den Felsen gehauen waren.
    Immer wieder umschmeichelten sie schwebende Schatten mit grauweißen, durchsichtigen Körpern, die auf- und abwallenden Nebelschwaden glichen, Professor Zamorra konnte die Konturen ihrer Gesichter erkennen und erahnte an Kopfbedeckungen der fragmentarisch angedeuteten Teilen der Kleidung, aus welcher Zeitepoche der Schatten des Toten stammte. Wie bei Teiras öffnete sich der Mund der durchscheinenden Totengestalten, um etwas mitzuteilen, ohne daß ein Laut zu vernehmen war. Oft mußte Professor Zamorra den Odysseus gewaltsam zurückhalten, daß er nicht die Wunde am Arm öffnete, um das Blut in den Mund des Schattenwesens zu bringen. Das kostbare Blut des Griechen mußte gespart werden für Gestalten, die tatsächlich den Weg in den Hades des klassischen Griechenland weisen konnten.
    Und da waren die Schatten ägyptischer Krieger, die einst im Schatten der Pyramiden kämpften oder eroberungslüsterner Hethiter nicht zu gebrauchen. Auch die Nebelgestalten von Germanenkriegern, römischen Legionären oder den Bewohnern der versunkenen schwarzen Reiche Afrikas konnten nicht befragt werden.
    Zamorra wußte, daß sie sehr sparsam mit dem Blut umgehen mußten, wenn sie bei Kräften bleiben wollten. Wer wußte, was ihnen noch bevorstand.
    Aber es war für die beiden Männer oft genug sehr schwer, mit erhobenen Schwertern die anschwebenden Geister der Verstorbenen zurückzuweisen, die in stummer Klage um einen Tropfen Blut baten, um sich den Lebenden mitteilen zu können.
    Doch manchmal konnte Professor Zamorra seine Neugier nicht
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