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035 - Das Wachsfigurenkabinett

035 - Das Wachsfigurenkabinett

Titel: 035 - Das Wachsfigurenkabinett
Autoren: Neal Davenport
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geraten, aber …«
    »Falle«, sagte der Hermaphrodit. »Der Schatten. Falle.«
    »Wenn er nur vernünftig reden würde«, seufzte Dorian ungehalten.
    Phillip bewegte lautlos die Lippen. Sein blasses Gesicht bekam wieder Farbe. Dorian kannte dieses Zeichen; es bedeutete, daß der Junge unter höchster Spannung stand, daß er angestrengt nachdachte und sich konzentrierte.
    Sam fuhr rasch. Nach einigen Minuten erreichten sie Forest Hill und fuhren die Honor Oak Road entlang. Sam bog in die Benson Road ein und blieb vor dem Wachsfigurenkabinett stehen.
    »Wir sind da, Phillip«, sagte Dorian.
    Er öffnete die Wagentür, und Phillip folgte ihm. Der Junge blieb kurz stehen, schloß die Augen und musterte dann das Wachsfigurenkabinett. Einige Autos fuhren vorbei. Sie überquerten die Straße. Phillip ging vor, und Dorian hatte Mühe, ihm zu folgen.
    Die Eingangstür war abgesperrt. Heute war kein Besuchstag.
    Dorian drückte auf die Klingel und wartete. Er warf Phillip einen Blick zu. Der Junge bewegte sich unruhig auf der Stelle. Dorian hatte den Eindruck, daß er es kaum erwarten konnte, ins Wachsfigurenkabinett zu kommen.
    Endlich wurde die Tür geöffnet. Madame Picard öffnete selbst. Die alte Frau mit den Ringellöckchen war nicht zu sehen.
    »Nett, daß Sie gekommen sind«, sagte Madame Picard und lächelte. »Treten Sie, bitte, ein!«
    Sie sah Phillip entzückt an. »Das ist das Modell, von dem Sie eine Wachsfigur haben wollen, nicht wahr?«
    Dorian nickte.
    Madame Picard versperrte die Tür und ließ Phillip nicht aus den Augen. Phillip war stehengeblieben und hatte wieder die Augen geschlossen. Sein blondgelocktes Haar war sorgfältig gekämmt und fiel über seine schmalen Schultern. Nach einer Weile schlug er die Augen auf und musterte Madame Picard. Seine goldfarbenen Augen strahlten.
    »Ein hübscher Junge«, sagte Madame Picard begeistert. »Ich modelliere ihn gern.«
    Phillip sah sich aufmerksam um, dann ging er durch die Tür, die zu den Wachsfiguren führte. Dorian und Madame Picard folgten ihm. Der Junge hatte keinen Blick für die Figuren übrig; zielstrebig ging er auf eine Tür zu. Dorian bemerkte, daß der Vampir, der ihn gestern so beeindruckt hatte, fehlte. Auch der tote Mann, der auf dem Bett mit zerrissener Kehle gelegen hatte, war verschwunden.
    Phillip blieb vor der Tür stehen.
    »Öffnen Sie!« sagte Dorian zu Madame Picard. Sie schüttelte den Kopf.
    »Nein«, sagte sie. »Da darf niemand hinein. Da habe ich meine besonders schönen Figuren aufbewahrt.«
    Dorian griff nach der Türklinke; die Tür war abgesperrt.
    Phillip drehte sich um und sah Madame Picard an. Seine Gestalt leuchtete für einen Sekundenbruchteil auf.
    »Öffnen Sie!« sagte Dorian nochmals.
    Diesmal folgte Madame Picard augenblicklich. Sie holte einen Schlüssel aus der Tasche und sperrte die Tür auf. Phillip trat als erster ein. Dorian folgte ihm augenblicklich. Madame Picard schüttelte verwundert den Kopf, ging dann aber den beiden Männern nach.
    Unwillkürlich hielt Dorian den Atem an. In dem Raum standen Wachsfiguren von einer unglaublichen Vollendung. Meisterwerke. Er kam an einer Gruppe nackter Mädchen vorbei und blieb stehen. Die drei Mädchen sahen so perfekt aus, daß er erwartete, sie würden sich jeden Augenblick bewegen und von ihren Sockeln heruntersteigen.
    Phillip wandte sich nach links. Dorian folgte ihm, drehte sich um und sah Madame Picard an, die noch immer den Kopf schüttelte.
    Dorian hätte gern länger die Figuren betrachtet, doch dazu hatte er jetzt keine Zeit.
    Phillip erreichte eine andere Tür und öffnete sie. Sie betraten ein großes Atelier. Eine Wand bestand ganz aus hohen Glasfenstern, durch die man in einen kleinen Garten blickte.
    Auf Gestellen hingen große Kessel. Unter einem der Kessel brannte ein kleines Feuer, und auf einem Tisch lagen einige Stearinblöcke. Eine Wand war völlig mit Regalen bedeckt, in denen Holzstäbe, Eisenstücke, Drahtrollen, etc. lagen; alles Dinge, die Madame Picard für die Herstellung ihrer Wachsfiguren benötigte.
    Dorian sah in den Kessel, unter dem das Feuer brannte. Geschmolzenes Stearin befand sich darin. Phillip blickte sich aufmerksam um.
    »Falle«, sagte er. »Falle. Schatten.«
    Madame Picard war näher gekommen.
    »Falle«, sagte der Hermaphrodit wieder.
    Er blickte Madame Picard an und sein Körper leuchtete auf.
    Wie ein Heiligenschein, dachte Dorian. Er beobachtete die schwarzhaarige Frau, deren Gesicht ausdruckslos wurde.
    »Fragen!« sagte
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