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0282 - Frühstück in der Todeszelle

0282 - Frühstück in der Todeszelle

Titel: 0282 - Frühstück in der Todeszelle
Autoren: Frühstück in der Todeszelle
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von Holz, Stahl und Stein der Mordschütze saß. Wir registrierten seinen Standort erst, als die nächste Salve herunterpfiff.
    Aus unserer kärglichen Deckung heraus bellten die Pistolen. Aber genauso gut hätten wir mit Erbsen auf Elefanten schießen können. Die Entfernung war zu groß, und das Ziel zu unsicher. Vielleicht hätte der Kerl uns doch noch erwischt, wenn nicht ein in der Nähe patrouillierender Streifenwagen von der Knallerei aufgescheucht worden und herangerast wäre.
    Die Cops sprangen heraus und gingen hinter ihrem Fahrzeug in Deckung, aber nichts rührte sich.
    Es war vollständig zwecklos, mit fünf Mann den gewaltigen Neubaublock zu durchsuchen. Er bot so viele Schlupfwinkel und hatte so viele Ausgänge, dass eine ganze Kompanie hätte ver-16 schwinden können. Die Cops konnten nichts anderes tun, als die aufgeregten Anwohner zu beruhigen, während wir, nachdem wir noch eine Stunde vergeblich in der Nähe herumgestrichen waren, für heute aufgaben.
    Wir fuhren zurück zum Office, wo auch unsere Kollegen nach und nach eintrafen. Keiner hatte etwas herausbekommen. Einige hatten versucht, sich bei den Geschäftsleuten der Umgebung vorsichtig zu erkundigen, aber sie hatten eine glatte Abfuhr bekommen.
    Um acht Uhr gingen Phil und ich essen, und dann überlegten wir, was wir anfangen sollten.
    »Am liebsten würde ich eine Rundreise durch das East End machen«, meinte Phil. »Wenn überhaupt jemand etwas über die Sing-Sing-Gang weiß, dann müssen es die Ganoven rund um die Delancey Street und in Chinatown sein. Aber lass uns eine Arbeitsteilung machen. Heute gehe ich in die wüste Gegend und du machst auf vornehm. Wenn wir bis morgen Abend noch nicht weiter sind, können wir tauschen.«
    Ich war mit diesem Vorschlag einverstanden.
    Wenn jemand, der den eleganten und vornehmen Mann markieren will und es doch nicht ist, ausgeht, so wird er nicht den Broadway oder die Fifth Avenue aufsuchen, sondern die Gegend zwischen der 50. und 55. Straße, wo die mehr oder weniger vergnügten Nachtclubs und Bars liegen. Natürlich kann er auch nach Greenwich Village gehen, aber das ist schon wieder zweiter Klasse. Ich war überzeugt, dass der Boss der Sing-Sing-Gang erstklassig ausgehen würde.
    Ich fuhr also bis zur Ecke Eight Avenue/51. Straße und stellte meinen Jaguar auf einem Parkplatz ab.
    Nacheinander war ich im Lamp Light, im Midnight Club, im Café Marseille und Casino de Paris. Aber nirgends konnte ich jemanden finden, der meiner Vorstellung von dem »Wolf von Sing-Sing«, wie er sich genannt hatte, entsprach.
    Ich ging durch die Amsterdam Avenue und um den Block in die 52. Straße, besuchte Henry IV, trank einen Whisky im Harwyn Club und landete endlich im Cancan. Hier ging ich vorläufig einmal vor Anker und genoss den Anblick der zwölf netten und langbeinigen Ballettmädchen, die den alten und doch ewig jungen Tanz, nach dem das Lokal benannt war, auf die Bretter legten.
    Dann trat eine Tänzerin auf.
    Genau wie alle anderen verbrachte sie die Zeit zwischen ihren Auftritten damit, sich den Gästen des Lokals zu widmen. Ihr Kavalier war ein dicker Herr, der den Provinzonkel nicht verbergen konnte. Meiner Überzeugung nach war er ein Farmer aus Texas, der Geschäfte vorgeschützt hatte, um das New Yorker Nachtleben genießen zu können.
    Ich betrachtete mir die beiden eine ganze Weile lang und amüsierte mich darüber, wie sie ihm einen Schein nach dem anderen aus der Tasche lockte. Ich war nicht der Einzige, der sich darüber amüsierte.
    Am Nebentisch saß ein Paar, das mindestens genauso viel Vergnügen daran hatte. Der Mann war gut angezogen, schlank, mittelgroß und konnte kaum älter als Anfang vierzig sein, aber sein blondes Haar war von grauen Fäden durchzogen und sein Gesicht hart und verbissen.
    Das Mädchen neben ihm mochte fünfundzwanzig sein. Es war schwarzhaarig, mit weit auseinanderstehenden, mandelförmigen Augen, vorspringenden Wangenknochen und einem vollen, schön geschwungenen Mund. Es sah so aus, als ob die beiden keine Zufallsbekanntschaft, sondern gute Freunde seien.
    Eigentlich passten die beiden gar nicht zusammen, aber dann bemerkte ich ihre schweren, goldenen Armbänder, die blitzenden Ringe und die wahrscheinlich echte Perlenkette und fing an zu begreifen. Die Kette war doppelreihig und hatte einen Verschluss in Form einer mit Brillanten besetzten Rose.
    Wenn ein Kavalier so großzügig ist, so nehmen manche Frauen auch seine Schattenseiten mit in Kauf. Ich hatte die zwei
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