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0282 - Frühstück in der Todeszelle

0282 - Frühstück in der Todeszelle

Titel: 0282 - Frühstück in der Todeszelle
Autoren: Frühstück in der Todeszelle
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anderen Zellen vorbeiging, winkten ihm die Todeskandidaten zu, deren Zeit noch nicht abgelaufen war.
    »Auf Wiedersehen, Boy!«, rief ihm einer nach.
    Sie gingen durch den Gang zu den Zellen, in- denen die Verurteilten ihre letzten Stunden zubringen mussten.
    Der Raum, den sie betraten, war klein, leer und weiß getüncht. Sechs Gittertüren führten in Zellen. Am Eingang hing ein Telefon an der Wand. Gegenüber war die schmale, grüne Stahltür, die er, Keys, noch heute durchschreiten würde, um nicht mehr lebend zurückzukommen.
    Die Beamten schlossen eine Zelle auf und ließen ihn eintreten. Dann standen sie müßig herum.
    John Keys hasste diese drei freundlich aussehenden Männer, die sich bestimmt nicht wohl in ihrer Haut fühlten, die aber für John Keys die Verkörperung des Unrechts waren.
    Der Gefängnisfriseur kam und schor ihm das Haar. Dann rasierte er ihn. Er hatte Keys schon viele Wochen lang rasiert, aber noch nie so sorgfältig wie heute. Als er fertig war, quälte er sich ein Lächeln’ab.
    »Mut! Nur Mut, mein Junge.«
    Es war gut gemeint.
    Das Essen kam, und er wunderte sich, dass er so etwas wie Hunger verspürte. Auf dem Tablett lag ein Päckchen Zigaretten. Er nahm eine, und einer der Wächter gab ihm Feuer.
    Dann führten sie ihn in den Besuchsraum. Was er niemals erwartet hatte, geschah. Milly stand auf der anderen Seite des engmaschigen Drahtgitters und weinte. Ihr kleines Gesicht war rot und verquollen.
    »Ich habe deinem Anwalt dreihundert Dollar gegeben, John. Er will die größten Anstrengungen machen, um an den Gouverneur heranzukommen und doch noch eine Begnadigung durchzusetzen.«
    »Du bist verrückt«, sagte Keys wütend. »Dreihundert Dollar ist ein Haufen Geld für dich, und der Anwalt wird es einstecken, grinsen und dir morgen erzählen, er habe nichts tun können.«
    Morgen…, dachte er. Morgen ist alles vorbei.
    Milly versuchte zu sprechen, aber sie konnte nicht.
    »Besser, du gehst«, sagte John, der selbst nur mit Mühe die Tränen zurückhielt. »Jedenfalls Dank dafür, dass du gekommen bist.«
    ***
    Es wurde 4 Uhr. Noch sieben Stunden.
    Er fing an, in der Zelle hin und her zu laufen. Sechs Schritte bis zur Wand und sechs zurück. Er rauchte, aber die Zigaretten schmeckten wie Gras.
    In einem plötzlichen Wutanfall schlug er gegen das Gitter. Die Minuten rasten dahin.
    Die Henkersmahlzeit kam auf dem Elektrokarren.
    Während er langsam und mit Widerwillen aß, kam ihm zu Bewusstsein, dass dies die letzte Mahlzeit seines Lebens war.
    »Neun Uhr«, sagte einer der Wächter mit einem Blick auf die Uhr.
    Noch zwei Stunden…
    Zwei andere Beamte kamen herein.
    »Wir müssen die Hosen aufschneiden«, sagte der Größere.
    Keys setzte sich und sie schlitzten die Hosenbeine bis fast zum Knie auf, damit bei der Hinrichtung die Elektroden angebracht werden konnten.
    »Wie spät ist es?«, fragte John, bevor sie gingen.
    »Neun Uhr fünfunddreißig.«
    Also noch fünfundachtzig Minuten.
    Der Priester kam und mit ihm ein Wächter, der einen kleinen, hölzernen Altar auf Rollen vor sich herschob. Fast unbeteiligt und neugierig sah John Keys zu, wie die-Vorbereitungen getroffen und zwei Kerzen entzündet wurden.
    Der Priester las die Messe.
    Es war zehn Uhr dreißig.
    Die letzten Minuten seines Lebens schwanden dahin.
    John Keys registrierte alles. Aber es war plötzlich, als ob es sich um einen anderen handelte, als ob er nur Zuschauer wäre, oder als ob er träumte.
    Die drei Wächter blickten sich an. Sie hatten Erfahrungen. Sie wussten, dass diese scheinbare Fassung jeden Augenblick in blinde Wut oder Verzweiflung umschlagen konnte.
    Keys Mund war trocken, und plötzlich wurde ihm eiskalt. Aber er würde sich zusammenreißen. Er würde auf seinen eigenen Füßen zum elektrischen Stuhl gehen.
    Es wurde zehn Uhr vierzig. Noch zwanzig Minuten.
    Es wurde zehn Uhr fünfzig…
    Eine Klingel schrillte. Die Wächter blickten sich um, und einer von ihnen nahm den Hörer vom Telefon.
    Gleich würde es so weit sein.
    Der Wärter legte auf und lächelte.
    Warum lächelt der gemeine Kerl? Lacht er mich aus? - Es fehlte nicht viel, und John Keys hätte die Beherrschung verloren.
    »Komm her«, sagte der Wächter. »Mach schon Ihr Rechtsanwalt hat mit dem Gouverneur gesprochen. Sie sind begnadigt.«
    John Keys wurde es schwarz vor den Augen. Einer der Beamten fing ihn auf.
    Am nächsten Tag erfuhr John Keys, dass er lebenslänglich bekommen hatte. Lebenslänglich… Aber das besagte nicht, dass er
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