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0272 - Gorgonen-Fluch

0272 - Gorgonen-Fluch

Titel: 0272 - Gorgonen-Fluch
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Peter Clarke blieb überrascht stehen, als er die Statue sah. Sie mochte etwa unterarmlang sein und war schön.
    Die Figur einer jungen Frau in einem langen, fließenden Gewand. Der Zuschnitt des Gewandes, Frisur und Gesichtszüge, die fein modelliert waren, wiesen auf die ägyptische Kultur hin. Aber Ägypten war weit.
    Hier war Italien! Hier war Neapel!
    Neapel mit seiner frühsommerlichen Hitze, mit seiner Schönheit an der Küste und mit seiner Häßlichkeit in der Innenstadt. Reichtum und Armut durcheinander. Enge, schmale Gassen, hastende Menschen, schreiende Kinder. Breite, sonnenbeschienene Plätze und Straßen. Buntgekleidete Menschen. Stimmengewirr. Autohupen. Sonne, Fröhlichkeit und Lachen. Diebstahl und Mord.
    Neapel sehen und sterben!
    Sterben wollte Peter Clarke nicht hier, auch nicht hier begraben sein. Dafür hatte er auf seinem Streifzug durch das unbekannte, das von Touristen noch nicht berührte eigentliche Neapel zu viel Elend gesehen. Aber es gab auch das schöne Neapel. Hier verschwammen die Grenzen zu den Slums, und hier standen am Rand der Straße die Stände der fliegenden Händler, die genau wußten, hier hörte der Weg der Touristen auf. Weiter gingen die nicht.
    Peter Clarke kam von drinnen. Peggy, der schwarzhaarigen Schönheit an seiner Seite, hatte dieser Abstecher wenig gefallen. Aber Peter wollte Land und Leute kennenlernen, und zwar richtig. Dazu hatte er nicht sehr lange Zeit. Morgen legte die Yacht wieder ab, nahm wieder Kurs auf das Mittelmeer. Aber das war Zukunft.
    Der Amerikaner betrachtete die Statue, nahm sie in die Hand. Wie kam eine Figur ägyptischer Stilrichtung in das Angebot des Händlers? Er wie seine unzähligen Kollegen verkauften Billig-Schmuck, Ansichtskarten, möglicherweise gestohlene Uhren und eben auch die kleinen oder großen Figuren aus gepreßtem Marmorstaub. Einige schwarze waren auch darunter, aus Vulkanschlacke des nahen Vesuvs. Aber alle zeigten Figuren aus der römischen Geschichte und Mythologie.
    Mit eben dieser unterarmlangen Ausnahme…
    »Was kostet die Figur?« fragte Clarke im Touristen-Italienisch mit breitem Texas-Slang.
    Der Händler, ein kleiner Mann mit Schweinsäuglein und leicht heruntergekommenem Äußeren grinste und nannte den Preis. Peter Clarke kannte das Spielchen und begann zu feilschen. Wäre er direkt auf den Preis eingegangen, hätte er zu viel bezahlt und dem Händler nicht einmal Vergnügen bereitet.
    Peggy zeigte an dem Figürchen kein Interesse und wollte weiter. Ein Eis essen, einen Espresso trinken. Aber Clarke wollte die Figur haben. Erstaunlicherweise gab der Händler keine genaueren Beschreibungen dazu, um den Preis hoch zu halten. Clarke fragte nach. »Woher kommt diese Figur? Wen stellt sie dar?«
    Es dauerte einige Zeit, bis er sich dem Italiener verständich gemacht hatte.
    »Stheno«, sagte der nur.
    Damit konnte Clarke nicht viel anfangen. Aber vielleicht konnte er in Büchern nachschlagen, was dieses Wort bedeutete, eine Bezeichnung oder ein Name Für 40 000 Lire kaufte er die Figur. Er hielt den Preis immer noch für zu hoch, aber er erkannte am Verhalten des Händlers, daß dieser nicht mehr weiterfeilschen wollte. Irgendwo gab es Grenzen. Vielleicht hatte der Mann selbst für diese Figur wirklich viel bezahlt und wollte und sollte auch keinen Verlust machen.
    Die Statue fühlte sich eigenartig warm an. So, als lebte sie. Aber das mußte wohl an der Sonnenstrahlung liegen.
    »So ein Quatsch«, maulte Peggy, während sie weiter durch Neapels schmale Seitenstraßen schlenderten. Clarke schwenkte die Plastiktüte mit der Figur darin unternehmungslustig hin und her. Er fühlte sich wohl, seit er die Statue besaß, und er hätte sich geärgert, sie nicht gekauft zu haben, egal zu welchem Preis. »Was willst du mit dem blöden Ding?« fuhr Peggy fort. »Es in die Ecke stellen und einstauben lassen? Dabei sieht es nicht mal nach etwas aus!«
    Clarke schwieg. Er fand die Figur schön - und geheimnisvoll.
    Woher sollte er ahnen, daß er den Tod gekauft hatte?
    ***
    »Wohin?« fragte Nicole Duval träge und gab der Luftmatratze einen leichten Stoß. Zamorra trieb von der Kante des Swimming-pools ab und in die Mitte hinaus. Vorsichtig, um nicht umzukippen, stützte er sich mit den Ellenbogen auf.
    »Mittelmeerkreuzfahrt«, sagte er. »Auf einer Zwanzig-Meter-Yacht. Wir können kommen und wieder verschwinden, wann wir wollen, solange das Boot unterwegs ist.«
    »Fein«, sagte Nicole. »Mich dünkt, wir bringen in letzter
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