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02 - Schatten-Götter

02 - Schatten-Götter

Titel: 02 - Schatten-Götter
Autoren: Michael Cobley
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bebenden Seufzer aus. »Wir Seher … stehen an den Toren der Träume, die sich dem wachen Auge nur selten auftun.« Er bedachte Gilly mit einem unergründlichen Blick. »Betet, dass sie sich für Euch nie öffnen, was auch immer Euch widerfahren mag.« Er drehte sich um. »Wir unterhalten uns später weiter. Jetzt muss ich gehen.«
    Gilly fühlte einen eisigen, geisterhaften Hauch, als Atroc ihn verließ. Hatten die Visionen des Alten etwas mit ihm zu tun oder ging es in ihnen um Yarram? Er erinnerte sich an die letzten Weissagungen Avaltis, bevor der in dem niedergebrannten Dorf ums Leben kam….
Ich sehe einen eisernen Fuchs, unsichtbar für die Meute…
Dann lachte er. »Worte, nichts als Worte«, erklärte er laut. Der Schnee überzog seinen Kopf und seine Schultern wie ein Umhang, als er den Weg zurückging, den er gekommen war. Vielleicht konnte er Yarram abpassen, wenn der im Palast ankam, um als Erster die Neuigkeiten zu hören.

2
    Hengst des Sturms,
Lass meinen Speer gerade fliegen,
Mögen unsere Felder reiche Ernte bringen,
Und all unsere Träume voller Freude sein.
Und wir flehen dich an, schärf unsere Augen,
Wenn das Böse dein Gesicht trägt.
    ANRUFUNGEN DES HIMMELSPFERDES,
ÜBERTRAGEN VON ANTIL FEHRIS
    Die Werft war zwar aufgegeben, jedoch keineswegs verlassen. Als Nerek mit dem Schwert in der Hand um die baufälligen Schuppen und zwischen den schiefen Skeletten halb fertiger Kiele hindurch schlich, spürte sie, dass sie beobachtet wurde. Gelegentlich erhaschte sie einen Blick auf einen Kopf oder ein Bein, die rasch zurückgezogen wurden, und das schwache Kratzen eines Schuhes sagte ihr, dass sie von einer, möglicherweise auch zwei Personen beobachtet wurde.
    Mehr schienen die Späher jedoch nicht zu tun, und Nerek arbeitete sich langsam über schmale Pfade weiter, die von Holzresten und leeren Kisten übersät waren, die in Pfützen aus Eis lagen. Sie sah keine Ratten, begegnete jedoch dafür einer Katze, die auf dem Ende einer Planke saß und Nerek unbewegt anstarrte, als sie vorüberging. Sie entfernte sich auf der Suche nach einem einfacheren Weg immer weiter vom Flussufer und gelangte schließlich an eine langgezogene Hütte. Als sie sich einer Ecke näherte, wäre sie beinahe in ihre drei Verfolger hineingelaufen. Sie kehrten ihr den Rücken zu und hatten ihre Schwerter gezogen. Rasch und so lautlos wie möglich trat Nerek zurück, duckte sich durch eine niedrige Tür und betrat die Hütte.
    Hier war es stockfinster, und es stank nach Abfall. Sie blieb reglos stehen, während sie Schritte näherkommen hörte.
    »… wolltet euch nicht aufteilen, hab ich gehört? Ihr seid zusammen durch die Höfe gelaufen und habt nach dieser Hexe gesucht …«
    »Warum gehen wir nicht einfach nach vorn, Tavo, und holen ein paar von den anderen Jungs …« Ein Schlag klatschte, und jemand stieß einen erstickten Schrei aus.
    »Dafür haben wir keine Zeit, Dummkopf! Wir müssen verhindern, dass sie zur Krönung gelangt. Also wirst du tun, was man dir gesagt hat, auf diesen Vorsprung klettern und runtersehen, bis sie auftaucht!« »Entschuldige, Tavo. Ich muss immer an den toten Olber denken, und wie seine Brust ausgebrannt ist. Das war schrecklich …«
    »Vergiss es! Tu einfach das, was ich dir gesagt habe, und während du hinübergehst, schau immer wieder zu mir …«
    Die Männer murmelten zustimmend und ihre Schritte entfernten sich. Nerek entspannte sich ein bisschen und lockerte die Muskeln in ihrem Nacken und Rücken, aber ihre Gedanken überschlugen sich beinahe.
Wir müssen verhindern, dass sie zur Krönung gelangt?
Da sie kein öffentliches Amt bekleidete, war sie als einfache Bürgerin zu der Zeremonie der Kleinen Krönung eingeladen worden. Dennoch wollten diese Halunken sie aus irgendwelchen finsteren Beweggründen von der Feier fernhalten. Sie musste den Fünfkönigs-Pier erreichen und die Wahrheit herausfinden, aber wie sollte sie ohne ihre Macht an den Jägern vorbeikommen? Ein bisschen Glück käme ihr jetzt sehr gelegen …
    Glück ist eine Waffe ohne Griff und Schneide, Kind …
    Nerek erstarrte. Die Stimme einer alten Frau hatte diese Worte gesprochen, und zwar in ihrer unmittelbaren Nähe, aber trotzdem konnte sie die Richtung nicht festmachen, aus denen sie gekommen waren.
Am besten hältst du dich an sichere Mittel. List und Verstohlenheit sind weit nützlicher als das Vertrauen in dein Glück.
    Nerek drehte den Kopf hin und her, doch die Stimme veränderte sich nicht. Plötzlich dämmerte
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